Wunschliste der Kapital-Lobbyisten

Die Neue Initiative Soziale Marktwirtschaft wirbt für das »Deutschland-Prinzip«

  • Michael Schlecht
  • Lesedauer: 4 Min.

Wirklich weg war sie nie. Aber jetzt ist die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) mit einer neuen Kampagne medienwirksam zurück. Bereits vor 15 Jahren trommelte der von Unternehmerverbänden finanzierte Verein erfolgreich für den Abbau von Sozialstaat und Arbeitnehmerrechten - und bekam die Agenda 2010. In den folgenden Jahren wurde es stiller um die INSM, im Hintergrund verrichtete sie jedoch weiter ihre Arbeit. Nun ist sie öffentlichkeitswirksam zurück und wirbt deutschlandweit mit Riesen-Plakaten für das »Deutschland-Prinzip«. Dahinter verbirgt sich die Forderung nach einer »Agenda 2020« – und diese Agenda ist nichts weiter als ein langer Wunschzettel der Unternehmer.

Finanziert wird die INSM von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie. Damit ist sie eine mächtige Lobbyorganisation aller Unternehmer; des Mittelstandes und der Großunternehmen. Bereits am 18. März hatte sie ihr »Deutschland-Prinzip« vorgestellt, jetzt legt sie mittels »Bild-Zeitung« nach: »Angie wirf den Turbo an«, kumpelt sie Kanzlerin Angela Merkel an und beschwert sich: Die aktuelle Politik der Großen Koalition sei »bestimmt von Regulierung, Bürokratie, Anspruchsdenken und immer neuen Umverteilungsplänen«.

Um dennoch Panik zu schüren, wird vor der Zukunft gewarnt: »Die Stabilität der wirtschaftlichen Situation darf nicht für selbstverständlich genommen werden.« In den ersten 15 Monaten dieser Bundesregierung seien nur Vorhaben umgesetzt worden, die die Wettbewerbsfähigkeit belasten.

Ein schräges Argument. Denn Deutschlands Außenhandelsüberschuss steigt auf immer neue Höhen. Das ist nicht gerade ein Zeichen mangelnder Wettbewerbsfähigkeit. Im Gegenteil.

»Statt um Verteilung muss es in der Politik wieder um die Frage gehen, wie der Wohlstand erwirtschaftet wird«, tönt die INSM. Das soll wohl heißen: Mehr Wohltaten für die Unternehmer. Aber wer »erwirtschaftet« denn den ganzen Wohlstand? Das sind nicht die Arbeitgeberverbände. Sondern die Beschäftigten! Sie haben davon allerdings immer weniger. Ihre Reallöhne liegen heute aufgrund Agenda 2010 gerade einmal auf dem Niveau des Jahres 2000. Von daher steht sehr wohl Verteilung an. Aber von oben nach unten!

Was wünschen sich die Unternehmer noch? »Die Bundesregierung muss Investitionshemmnisse abbauen und Pläne für zusätzliche Arbeitsmarktregulierung stoppen.« Mit »Investitionshemmnisse« meint die INSM unter anderem den Mindestlohn, gegen den sie und das gesamte Unternehmerlager seit Monaten mit dem Begriff des »Bürokratiemonsters« hetzt. Vergeblich. All die Horror-Folgen des Mindestlohns sind nicht eingetreten. Weder ist die Inflation gestiegen, noch wurden Arbeitsplätze abgebaut.

Aber, so die Logik der INSM, das könnte ja noch kommen. Deshalb: weiter mit Hungerlöhnen, Leiharbeit, Befristungen und Werkverträgen, ohne Rücksicht auf die Lebenslagen der Menschen!

Die INSM fordert weiter: »Zuwanderung und Freihandel fördern!« Zuwanderung – ok. Aber Freihandel? Damit stellen sich die Unternehmerlobbyisten hinter das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA – ein Abkommen, das erwiesenermaßen kaum Wirtschaftsimpulse bringt, dafür aber schlechtere Standards für Beschäftigte und Verbraucher in Europa. Und vermutlich satte Gewinne für Exportunternehmer.

»Mehr Geld für bessere Straßen!«, lässt die INSM den Verbandschef der Automobilindustrie, Matthias Wissmann, fordern. Sicher, mehr öffentliche Investitionen sind nötig. Aber nicht indem die Autobahnen zu profitablen Anlageobjekten für Allianz und Co mittels einer Maut gemacht werden.

Apropos Investitionen: Wie wäre es, wenn die Unternehmen selbst mal wieder ein bisschen mehr Geld in die Hand nehmen? Trotz hoher Gewinne betrugen die Nettoinvestitionen des privaten Sektors in Deutschland 2014 nur 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung. Vor 20 Jahren waren es noch sieben Prozent.

Außerdem hätten die Unternehmer gern noch weniger Bürokratie, Betriebsfrieden via Tarifeinheitsgesetz und »niedrigere Energiekosten« – wobei sie allerdings offen lassen, wer ihrer Meinung nach für die notwendige Energiewende in Deutschland zahlen soll.

Das ist sie, die Wunschliste der Kapital-Lobbyisten. Sie besagt vor allem: weniger Kosten und höhere Gewinne. Das soll dem ganzen Land nützen? Kaum. Um Deutschland tatsächlich zukunftsfest, krisensicher und sozial gerecht zu gestalten, muss die Binnennachfrage massiv gestärkt werden. Dazu sind massive Lohnerhöhungen und ein Zukunftsinvestitionsprogramm für dringend benötigte öffentliche Investitionen in die Infrastruktur und öffentliche Dienstleistungen nötig.

Michael Schlecht, MdB, wirtschaftspolitischer Sprecher Fraktion DIE LINKE

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