Sisi statt Mursi
Roland Etzel zum Urteil von Kairo
Das Urteil gegen Mursi bestätigt den Eindruck, den man vom bisherigen Gebaren der ägyptischen Justiz haben musste: Abstruse Anklagekonstruktionen enden nach rechtsstaatsfernen Verhandlungsverläufen mit Urteilen, die für die Wünsche des Präsidenten maßgeschneidert sind.
Seit Ägyptens Generäle mit dem Machtantritt von Abdel Fattah al-Sisi als dem neuen starken Mann wieder unumschränkt herrschen, wird kein Pardon mehr gegeben: Kurzrundigen Massenprozessen folgten Hunderte von Todesurteilen gegen Mursis Muslimbrüder. Wenn sich das Gericht bei ihm selbst mit 20 Jahren Haft begnügt zu haben scheint, dann vermutlich auf Drängen der USA. Washington - nicht nur Hauptlieferant der ägyptischen Militärherrlichkeit, sondern auch deren Sponsor - wäre ein Todesurteil jetzt ungelegen gekommen. Schon gar zu sehr hatte man den eigenen Verhaltenskodex hinsichtlich Ägyptens gebrochen. So hat es in den offiziellen Anträgen der Regierung an den US-Kongress nach Waffenlieferungen für Kairo einen Militärputsch nie gegeben.
Das jetzige Urteil bietet Obama die Möglichkeit, weiter zu verfahren wie bisher. Auch in Berlin und bei anderen EU-Granden wird man aufatmen. Nach all dem verlogenen Gesäusel über die einst gegenüber Mubarak-Ägypten geübte Kumpanei hätte man nach einem Todesurteil gegen den ersten, nach tatsächlichen Wahlen ermittelten Präsidenten des Nil-Landes nicht einfach zur Tagesordnung übergehen können. Nun hofft man, es mit einem milden Tadel bewenden lassen zu können.
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