Krise statt Konzert

Eine Schule in Thüringen gewinnt ein Konzert. Doch es wird verboten und der Protest der Schüler gegen die Entscheidung endet mit einer Anzeige gegen den Schulleiter

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach einem Gerangel mit einer Schülerin muss sich der Leiter eines Gymnasiums in Thüringen nicht nur mit strafrechtlichen Vorwürfen auseinandersetzen.

Eigentlich hatte alles nach einem guten Tag für die Schule im thüringischen Eichsfeld ausgesehen, als das Gymnasium den Wettbewerb eines Radiosenders gewann - jetzt ist alles ganz anders: Thüringens Bildungsministerin Birgit Klaubert (LINKE) führt ein Disziplinarverfahren gegen den Schulleiter dieses Gymnasiums, der sich am Montag eine Rangelei mit einer 16-jährigen Schülerin geliefert hatte. Wie das Verfahren ausgehen werde, sei derzeit noch offen, da in einem Rechtsstaat alle Betroffenen anzuhören seien, ehe eine Entscheidung falle, sagte Klaubert am Dienstag in Erfurt. Für sie habe die Wiederherstellung des Schulfriedens in dem Gymnasium nun oberste Priorität - auch weil dort in den kommenden Wochen Abiturprüfungen geschrieben würden. Schülervertreter sprechen von einem seit langem schlechten Klima in der Schule.

Der Schulleiter hatte versucht, der Schülerin eine Tröte abzunehmen. Dabei hatte er sie so bedrängt, dass sie gestürzt war, wie auf Bildern von dem Vorfall zu sehen ist. Die Jugendliche hatte gemeinsam mit anderen Schülern gegen die Entscheidung unter anderem des Schulleiters und des zuständigen Schulamtes protestiert, ein Konzert des Pop-Sängers Graham Candy auf dem Schulgelände zu verbieten. Die Veranstaltung hatten die Schüler zuvor beim Wettbewerb eines privaten Radiosenders gewonnen. Statt in Worbis war der Sänger deshalb in Querfurt in Sachsen-Anhalt aufgetreten.

Wegen des Gerangels hat die Mutter der 16-Jährigen, die nach Angaben Klauberts selbst Lehrerin an der Schule ist, bereits Anzeige gegen den Schulleiter wegen des Verdachts auf Körperverletzung erstattet.

Unabhängig von dieser Anzeige und den disziplinarrechtlichen Ermittlungen des Bildungsministerium hat die Thüringer Landesschülervertretung das Gerangel des Schulleiters mit der Schülerin bereits scharf verurteilt. »Solch ein Verhalten eines Pädagogen ist überzogen und in kein- ster Weise zu erklären. Diese Methoden gehören nicht zu den Thüringer Bildungszielen«, heißt es in einem Offenen Brief, den der Vorsitzende der Landesschülervertretung, Maximilian Reichel-Schindle, am späten Montagabend verbreitete. Darin hatte er auch die Suspendierung des Schulleiters gefordert. Die Schule, schreibt Reichel-Schindle, stehe »seit Längerem in der Kritik«.

Grundsätzlich verteidigte Klaubert die Entscheidung, das Konzert zu verbieten - jedenfalls formal. Nach ihrem jetzigen Kenntnisstand sei die Entscheidung rechtlich nicht zu beanstanden, sagte sie. Der Radiosender habe das Konzert nicht wie erforderlich angemeldet und auf Bitten der Schule, das zu tun, nicht reagiert. Ein Sprecher des Senders hatte dagegen am Montag erklärt, man habe sehr wohl mit der Schule Kontakt aufgenommen.

In diesem Zusammenhang kritisierte Klaubert auch, es sei den Gymnasiasten in Worbis wohl nicht ausreichend klar, dass sie mit der Teilnahme an dem Gewinnspiel zum Objekt eines marktwirtschaftlich agierenden Privatunternehmens geworden seien. Das sei für sie ein Ausweis dafür, dass man einerseits prüfen müsse, wie medienkompetent Thüringer Schüler seien. Andererseits wolle sie schauen, was man aus diesem Vorfall lernen könne, damit auch in Zukunft außerschulische Veranstaltungen in Thüringer Bildungseinrichtungen stattfinden könnten. In jedem Fall sei Worbis »nur die Spitze des Eisberges«, sagte Klaubert. »Ich gehe davon aus, dass das auch an anderen Schulen hätte passieren können.« Jenseits von rechtlichen Fragen könne sie den Frust der Schüler über die Absage aber verstehen, sagte Klaubert. Es sei zu begrüßen, wie sehr sich die jungen Menschen für das Konzert eingesetzt hätten.

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