Die Angst, zu kurz zu kommen

Fernsehgeld und Machtverhältnisse: Spaniens Fußballverband will Ligaspiele und das Pokalfinale absagen

In Spanien werden die Übertragungsrechte demnächst zentral vermarktet. An den Machtverhältnissen im Fußball ändert das nichts. Wie dieser Disput endet, weiß man jetzt noch nicht. Dass er endet, dürfte jedoch feststehen.

Ein Aufschrei ging Anfang des Jahres durch Fußballeuropa. Die englische Premier League hatte gerade ihren neuen Fernsehvertrag ausgehandelt - und damit die Konkurrenz aus den anderen Spitzenligen in Angst und Schrecken versetzt. Für den Verkauf der Übertragungsrechte im In- und Ausland für drei Jahre ab der Saison 2016/17 nimmt die erste englische Liga 9,5 Milliarden Euro ein. Allein aus der Inlandsvermarktung springen 2,3 Milliarden heraus - pro Spielzeit. Die Summe des derzeit in Deutschland noch bis zum Sommer 2017 laufenden Vertrages bringt 2,5 Milliarden Euro - für vier Jahre. Horst Heldt, Manager von Schalke 04, stellte zerknirscht fest, »dass der Tabellenletzte in England mehr bekommt als der Erste in Deutschland.«

In Spanien sorgte sich beispielsweise Joan Collet: »Jeder Verein aus der Premier League kann unsere besten Spieler kaufen, indem er einfach das Gehalt verdoppelt«, kritisierte der Präsident von Espanyol Barcelona. Und Collet drohte: »Wir bringen den Spielbetrieb zum Stoppen, wenn es nicht bald eine Regelung bezüglich der TV-Rechte gibt.« In der Primera División verkauft seit dem Ausstieg von Real Madrid und dem FC Barcelona 1996 aus der Zentralvermarktung der Fernsehrechte jeder Verein die Übertragung seiner Spiele selbst. Das beschert den beiden Großklubs jeweils Einnahmen von über 140 Millionen Euro pro Saison. Real und Barça kommen damit ungefähr auf so viel Geld wie alle anderen 18 Erstligisten zusammen.

Nun gibt es eine neue Regelung. »Eine exzellente Nachricht für alle Klubs«, freute sich Collet Ende April. Die spanische Regierung hatte beschlossen, ab der Saison 2016/17 die Fernsehrechte wieder zentral zu vermarkten. Und prompt droht der nächste mit einem Streik. Diesmal hat der spanische Fußballverband RFEF Angst, zu kurz zu kommen. Weil er von den rund 1,5 Milliarden Euro, die aus der Zentralvermarktung der Fernsehrechte generiert werden sollen, nur 4,55 Prozent bekommen soll, will der RFEF den Spielbetrieb vom 16. Mai an aussetzen. Betroffen wären die letzten beiden Spieltage der Primera División sowie das Pokalfinale am 30. Mai zwischen dem FC Barcelona und Athlétic Bilbao.

Wie dieser Disput endet, weiß man jetzt noch nicht. Dass er endet, dürfte jedoch feststehen. Auch in dieser Saison wird es einen Meister und einen Pokalsieger in Spanien geben. Denn nichts ist schädlicher fürs Geschäft als dessen Schließung, das weiß auch der spanische Verband.

Generell ist die neue Regelung gut. Auch weil sie ein wenig gerechter ist als die vorherige. Aber die Machtverhältnisse wird sie im spanischen Fußball nicht ändern. Der FC Barcelona und Real Madrid bestimmen seit jeher das Geschehen der Primera División. 54 von bislang insgesamt 85 Meisterschaften gewannen Real und Barça. Und letztlich haben die beiden Großklubs nach langer Zeit der Ablehnung jetzt ja auch der Zentralvermarktung zugestimmt. Da nach dem Verteilungsschlüssel nur 50 Prozent des Geldes gleichmäßig auf alle Klubs verteilt werden, aber je 25 Prozent nach den sportlichen Erfolgen der vergangenen Jahre sowie der Bedeutung des Klubs, erhoffen sich Real und Barça sogar eine Einnahmesteigerung.

Der spanischen Regierung war die gerechtere Verteilung des Geldes nicht wegen der sportlichen Möglichkeiten wichtig. Vielmehr bringt sie damit mehrere Klubs in die Lage, endlich ihre Steuerschuld abzutragen. Nach dem Abschluss der vergangenen Saison hatten die Klubs der ersten und zweiten spanischen Liga noch immer 500 Millionen Euro Schulden bei den Finanzämtern. Bis diese beglichen sind, sollten die neuen Mehreinnahmen der Klubs am besten direkt vom Staat eingezogen werden.

Den sicher folgenden Aufschrei sollten sich Präsidenten wie Joan Collet sparen. Denn es ist immer nur der Ruf nach mehr Geld. Und das ist, wie der Blick nach England zeigt, längst nicht alles. Wie schon 2013 hat es auch in dieser Saison kein einziger Klub aus der Premier League ins Viertelfinale der Champions League geschafft. Und auch das 0:3 des FC Bayern am Mittwochabend beim FC Barcelona ist nicht der Tatsache geschuldet, dass die Münchner nur 50 Millionen Euro Fernsehgeld, die Katalanen hingegen fast das Dreifache bekommen. Denn das war 2013 auch schon so. Und da gewannen die Münchner das Halbfinale der Champions League gegen Barça in Summe mit 7:0.

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