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Wer mal muss, muss woanders hin

Vom WC zum Café: Das »Bornträger« am Humannplatz

  • Christian Baron
  • Lesedauer: 2 Min.

In Prenzlauer Berg wurde aus einer denkmalgeschützten öffentlichen Bedürfnisanstalt ein kleines Café - allerdings ohne Kunden-Toilette.

Von Christian Baron

Gerade erst hat die Inhaberin ihre Kaffeestube geöffnet, da eilt schon eine Frau herein. Das Angebot nimmt sie nicht wahr. Denn sie muss mal. Christine Morgan kann ihr aber keine Erleichterung verschaffen: »Wir haben leider kein Gäste-WC.« Missbilligend entschwindet die Dame.

Dass sie eben mitten in einem früheren Pissoir stand, weiß sie nicht. Von 1936 bis zur sogenannten Wende war in dem Gebäude eine öffentliche Bedürfnisanstalt beheimatet. Seitdem stand das massiv gemauerte Backsteinhäuschen leer und rottete vor sich hin. Jetzt ist es früh am Morgen, noch sind kaum Kunden da. Im Laufe des Tages kommen aber viele. Seit sieben Jahren wollte die studierte Literaturwissenschaftlerin hieraus eine nette Lokalität machen.

2013 schrieb das Landschaftsplanungsamt Pankow den 50 Quadratmeter großen Raum mit Keller aus, den Zuschlag erhielt Morgan, für die sich damit »ein Traum erfüllte«. Nach der 250 000 Euro teuren Sanierung zog sie im April ein und weihte das nach ihrer Großmutter benannte »Bornträger« am vergangenen Samstag offiziell ein.

Dass es ausgerechnet hier aus baulichen Gründen kein stilles Örtchen gibt, sieht sie mit gemischten Gefühlen: »Ich weise die Leute ungern ab, spare aber viel Wasser. Im Sommer spielen am Humannplatz viele Kinder, die gewickelt werden müssen.«

Zudem liege wenige Meter entfernt eine moderne öffentliche Toilette. Für die müsse man wiederum 50 Cent berappen, was die Gentrifizierung in Prenzlauer Berg munter vorantreibe. »Ich selbst bin mit meinem Café ja ein Teil davon«, gesteht Morgan ein, bevor eine Dame mit Kinderwagen ihren leeren Pappbecher abgibt und sich die dafür veranschlagten 20 Cent Pfand zurückholt.

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