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Vom Fischverkäufer zum Finalhelden

Aus einer armen Familie stammend führt der Kolumbianer Carlos Bacca den FC Sevilla zum Europa-League-Triumph

  • Jörg Soldwisch, Warschau
  • Lesedauer: 3 Min.
Viele Spitzenklubs haben Carlos Bacca auf dem Einkaufszettel - seit seiner Gala im Europa-League-Finale weiß auch jeder warum. Der Spätstarter läuft im Herbst seiner Karriere zu großer Form auf.

Sicher musste Carlos Bacca auch an seinen steinigen Weg zum Fußballprofi denken, als er nach dem Schlusspfiff des Endspiels im Europa League allein auf der Auswechselbank hemmungslos weinte. Er, der im Alter von 20 Jahren noch Fische verkauft und Busfahrkarten kontrolliert hatte, um über die Runden zu kommen, hat es nach ganz oben geschafft.

»Ich widme den Sieg meiner Familie, meinen Kindern und Gott. Das ist etwas Einmaliges, ich will den Moment so lange es geht genießen«, sagte der sichtlich ergriffene Kolumbianer nach dem Spiel seines Lebens. Mit einem Doppelpack (31. und 73. Minute) und der Vorarbeit zum zwischenzeitlichen 1:1 durch Grzegorz Krychowiak (28.) hatte der Stürmer den Titelverteidiger FC Sevilla fast im Alleingang zum 3:2-Finalsieg gegen Außenseiter Dnjepr Dnjepropetrowsk geschossen.

»Carlos Bacca ist der Held, dabei fuhr er mit 20 Jahren noch mit dem Bus«, schrieb die spanische Zeitung »AS«. Sevilla stieg mit dem vierten Triumph im vierten Endspiel zum Rekordgewinner des zweitwichtigsten Europapokal-Wettbewerbs auf - und Bacca zu einem der begehrtesten Spieler weltweit. Schon vor seiner Gala im Warschauer Nationalstadion hatten unter anderem die Spitzenklubs aus der Premier League Manchester United, FC Arsenal und FC Liverpool ein Auge auf den 28-Jährigen geworfen.

Für eine im Vertrag bis 2018 festgeschriebene Ablöse von 30 Millionen Euro könnte Bacca, der in dieser Saison 20 Ligatore und sieben Treffer in der Europa League erzielt hat, im Herbst seiner Karriere bei einem ganz großen Klub landen. Damit hatte Carlos Arturo Bacca Ahumada vor ein paar Jahren nicht einmal im Traum gerechnet. »Ich stamme aus einer armen Familie. Die Tür zum Profifußball schien verschlossen, bis ich ein Probetraining bei Junior de Barranquilla machen durfte. Gott sei Dank akzeptierten sie mich«, hatte Bacca einmal berichtet.

Von da an kämpfte sich der schnelle und technisch starke Angreifer nach oben. Erst in Kolumbien, dann in Belgien beim FC Brügge, jetzt beim FC Sevilla. Und jedes Jahr machte Bacca einen Leistungssprung. »Immer wenn er auf dem Platz steht, will er wachsen. Er will mehr und mehr und mehr«, schwärmte Sevillas Trainer Unai Emery über den Ehrgeiz seines Matchwinners: »In der nächsten Saison will er der beste Spieler überhaupt werden.«

Lionel Messi, Cristiano Ronaldo - mit diesen Kalibern wird sich Bacca bald auch in der Champions League messen dürfen. Sevilla erhält als erster Klub durch den Europa-League-Sieg ein Startrecht in der Königsklasse für die kommende Saison. Ob Bacca dann noch im Kader der Andalusier steht oder dem Lockruf der Insel gefolgt ist, bleibt abzuwarten. Angesichts seiner hervorragenden Perspektiven dürfte es Bacca egal gewesen sein, dass die UEFA nicht ihn, sondern Teamkollege Éver Banega zum »Man of the Match« wählte.

Während die spanischen Finalhelden noch im Stadion mit den eigenen Fans den Partymarathon starteten, verließen die Spieler von Dnjepropetrowsk mit hängenden Köpfen die Arena. Sie waren mit ihrer Mission knapp gescheitert, der vom Krieg zerrütteten Heimat einen Moment der Freude zu schenken.

Die Sporttageszeitung »Segodnja« schrieb dennoch: »Es war ein besonderer Tag für den ukrainischen Fußball, an dem selbst Menschen, denen Fußball gleichgültig ist, zu leidenschaftlichen Fans wurden.« Und selbst Staatspräsident Petro Poroschenko ließ wissen: »Heute haben unsere Jungs bewiesen, dass sie ein Team mit Charakter sind.« SID/nd

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