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»Was du getan hast, ist radikal«: Walter Mossmann ist tot

Flugblattlieder für die Anti-Atom-Bewegung: Der Chansonnier, Politaktivist und Autor starb in der Nacht zum Samstag im Alter von 73 Jahren

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Der Liedermacher, Politaktivist und Autor Walter Mossmann ist tot. Wie die »Badische Zeitung« berichtet, starb der gebürtige Karlsruher in der Nacht zum Samstag im Alter von 73 Jahren. Mossmann war einer der Mitbegründer der Badisch-Elsässischen Bürgerinitiativen und eine der großen Figuren der Anti-Atom-Bewegung. Als »singender Egon Erwin Kisch« beteiligte er sich in den 1970er Jahren an den Besetzungen des AKW-Bauplatzes bei Wyhl am Kaiserstuhl und bei den Protesten in Gorleben.

Ihn bewegten »einmal dieses Neue Denken, die damals absolut neue ökologische Kritik am Industrialismus, und andererseits die Aktionsformen: sie waren witzig, schlagend, verblüffend, sie stellten die Polizei vor Rätsel«, sagte er 2005 in einem einem Interview mit »neues deutschland«. Die »Traditions-Linke« habe »zu Beginn mehr oder weniger abseits« gestanden, sagte er über die Anfänge der Anti-Atomkraft-Bewegung. »Die besten Bündnispartner der Atom-Mafia waren wegen des Arbeitsplatzargumentes die Gewerkschaften. Die SPD hatte zunächst nur ein paar Alibi-Atom-Kritiker, wie Erhard Eppler. Die DKP redete mit gespaltener Zunge und behauptete ebenso dummdreist wie lächerlich, dass ein kapitalistisches AKW von Siemens schlecht sei, ein sowjetisches AKW dagegen gut. Die K-Gruppen waren zwar von Anfang an dabei, aber meistens störend«, da sie »die Führung übernehmen« wollten.

Mossmann lebte seit früher Jugend in Freiburg, studierte Germanistik, Soziologie und Politikwissenschaft unter anderem in Tübingen und Hamburg und engagierte sich wie viele seiner Generation in der Studentenbewegung. Ab den 1960er Jahren trat Mossmann mit Gedichten und ersten eigenen Chansons auf. 1965 folgte der erste Auftritt beim politischen Festival Chanson Folklore International auf der Burg Waldeck. Er pflegte Kontakte zu Kritikern der SED-Politik in der DDR und erhielt dafür zeitweise Einreiseverbot. 1976 kritisierte er die Ausbürgerung Wolf Biermanns aus der DDR und trat dann auch mit dem Liedermacher gemeinsam auf.

In den 1970er Jahren war Mossmann für den Rundfunk tätig – eckte dort allerdings mit seiner dissidenten Haltung an, worauf er nur noch als freier Autor arbeiten konnte. Zahlreiche kritische Beiträge über die Gesellschaft tragen seine Handschrift. Anfang der 1980er Jahre beteiligte sich Mossmann, der seine Musik als »Flugblattlieder« verstand, am Protest gegen das geplante Atommüllager Gorleben und an der Gründung der »Republik Freies Wendland«.

Mossmann erhielt viele Preise – unter anderem 1982 den Deutschen Kleinkunstpreis. Das prämierte »Lied für meine radikalen Freunde« wurde aus politischen Gründen im WDR dann aber nicht mehr gesendet. »Dieses Lied ist für Anne-Marie / Wir haben zusamm' demonstriert, als die / Polizei mit Gasgranaten schoss – / Und wir waren doch waffenlos!« beginnt der Song. Eine andere Passage lautet: »Du, Alfred, dir verzeih'n sie doch nie / Deine Lust an der Demokratie / Was du getan hast, ist radikal – / Ach, tu's doch nochmal!«

Wegen einer Krebserkrankung konnte Mossmann seit Mitte der 1990er Jahre nicht mehr als Liedermacher auftreten. nd

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