Lauter werden

Personalie: Jeanine Meerapfel

  • Martin Hatzius
  • Lesedauer: 2 Min.

Eine Überraschung war der Ausgang dieser Wahl kaum, eine Sensation gleichwohl. Erstmals in der 319-jährigen Geschichte der Akademie der Künste haben deren Mitglieder am Wochenende eine Frau zu ihrer Präsidentin gewählt: die 71-jährige Regisseurin Jeanine Meerapfel. Dass Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) von einem »Meilenstein« sprach, ist also angemessen - auch wenn Meerapfel vor der Wahl als einzige Kandidatin hervorgetreten war. Als Vizepräsidentin steht der Nachfolgerin von Klaus Staeck, der nach neun Jahren turnusmäßig aus dem Amt schied, die 43-jährige österreichische Autorin Kathrin Röggla zur Seite. Wie Meerapfel wurde sie von den 130 anwesenden Akademiemitgliedern mit großer Mehrheit gewählt.

Jeanine Meerapfel, 1943 als Kind jüdischer Emigranten - der Vater Deutscher, die Mutter Französin - in Buenos Aires geboren, hat nicht nur wie Röggla am 14. Juni Geburtstag, sie ist auch mit ihr befreundet. Sie freue sich, sagte die Ältere, auf die gleichberechtigte Arbeit in einer »Doppelspitze«. Als Vollzeitjob könne sie ihr neues Amt schon deshalb nicht ausüben, weil sie daneben auch weiterhin Filme drehen und an Performances arbeiten wolle.

Nach einer journalistischen Ausbildung kam Meerapfel 1964 mit einem DAAD-Stipendium nach Ulm, wo keine Geringeren als Alexander Kluge und Edgar Reitz sie im Filmemachen schulten. In Spiel- und Dokumentarfilmen wie »Malou« 1981), »Die Kümmeltürkin geht« (1985) oder »Der deutsche Freund« (2012) wandte sie sich wiederholt der Konstruktion und Überwindung von Fremdheit zu. Unmittelbar nach ihrer Wahl kündigte sie an, in der Akademie der Künste »einen stärkeren Akzent auf Internationalität« zu setzen und das »kulturelle Gedächtnis« künstlerisch wie diskursiv wachzuhalten. Denen eine Stimme zu geben, die keine haben, betrachte sie als Aufgabe ihrer Institution. Was aber, wurde Meerapfel gefragt, wenn die Politik der Kunst kein Gehör schenke? Dann, antwortete sie - und ihr Vorgänger Staeck wird es wohlwollend vernommen haben, »müssen wir lauter werden«.

Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln

Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.