Der verhinderte Kandidat
Weil ihn Parteifreunde von der Landesliste strichen, will ein AfD-Mann die sächsische Landtagswahl 2014 kippen
Arvid Samtleben ist kein Mann der sanften Töne. Die »Alternative für Deutschland«, für die er beinahe in Sachsens Landtag eingezogen wäre, sei nach dem »Führerprinzip« organisiert, sagt er; zu Parteifreunden aus dem Landesvorstand fällt ihm das Adjektiv »korrupt« ein. Im Parlament wäre er womöglich ein Kandidat für Ordnungsrufe geworden. Er gelangte aber nicht in den Landtag - und will deshalb nun die Landtagswahl vom 31. August 2014 kippen. Seit Monaten befasst sich der Wahlprüfungsausschuss des Landtags mit dem verzwickten Fall, der auch nach einer mündlichen Anhörung diese Woche nicht entschieden ist: Vorerst sollen weitere Gutachten eingeholt werden.
Im April 2014 wähnte sich Samtleben, ein in Braunschweig gebürtiger Betriebswirt, in der Erfolgsspur: Bei einem Parteitag in Weinböhla wurde der damalige AfD-Chef im Kreis Bautzen auf Platz 14 der AfD-Landesliste gewählt. Das hätte für ein Mandat gereicht: Vier Monate später errang die AfD 9,7 Prozent und damit exakt 14 Sitze im Parlament. Samtleben indes war zwischenzeitlich von der Liste der Anwärter gestrichen worden - durch Parteifreunde. Zunächst hatte der Landesvorstand einen entsprechenden Beschluss gefasst; danach veranlasste der als »Vertrauensperson« benannte Rechtsanwalt Michael Muster bei der sächsischen Landeswahlleiterin die »Teilrücknahme« der eingereichten Liste. Auf Samtlebens Platz rutschte die Unternehmerin Silke Grimm aus der AfD-Hochburg Ostsachsen nach.
Dass auf Parteitagen besiegelte Kandidatenlisten von den Parteien im Nachhinein verändert werden, ist nicht ungewöhnlich. Gängige Gründe sind ein Parteiaustritt, der Wegzug aus dem Wahlgebiet, der Verlust der Wählbarkeit durch eine Verurteilung oder der Tod des Kandidaten. Keiner der Gründe trifft freilich auf Samtleben zu. Er ist vielmehr überzeugt, dass er von der Liste flog, weil er ein Darlehen für die Partei zur Finanzierung des Wahlkampfes verweigerte. Bewerber auf einem der ersten zehn Listenplätze hätten 3000 Euro zahlen sollen, weiter hinten Platzierte 1000 Euro, sagte er bei der Anhörung. Bei einem Einzug in den Landtag wäre das Darlehen quasi als Spende gesehen und nicht zurückgezahlt worden. Finanzschwache Bewerber würden so an Kandidaturen gehindert, sagt Samtleben, der bei seiner eigenen Bewerbung indes von einem »Auskommen als Vermögensverwalter« berichtet hatte, das es ihm »dauerhaft« ermögliche, sich der AfD und ihrer Politik zu widmen.
Wie die Geschichte ausgeht, ist auch nach der Anhörung unklar, die vor einem illustren Publikum stattfand: Unter den Zuhörern waren der Pegida-Gründer Lutz Bachmann, der Pegida-Abtrünnige Joachim Exner, NPD-Landeschef Holger Szymanski und Hans-Thomas Tillschneider von der »Patriotischen Plattform« der AfD. Der AfD-Generalsekretär und Abgeordnete Uwe Wurlitzer sieht die Partei im »Recht, Leute von der Liste zu streichen«. Die teilweise Rücknahme einer Liste sei »nicht ungewöhnlich«, sagt auch Robert Kluger, Stellvertreter der Landeswahlleiterin. Die Vertrauenspersonen der Parteien hätten einen »sehr weiten Entscheidungsspielraum«, bestätigt der CDU-Abgeordnete Christian Piwarz. Er fungiert als Berichterstatter im Ausschuss, dem mit der Abgeordneten Kirsten Muster pikanterweise die Ehefrau von AfD-Vertrauensmann Michael Muster angehört.
Für Klaus Bartl, Jurist und Abgeordneter der LINKEN, ist der Fall weit weniger klar: Laut eines neuen Kommentars zum Bundeswahlgesetz gebe es auch in der Zeit zwischen Einreichung einer Liste durch die Partei und der Bestätigung im Wahlausschuss strengere Regeln für Korrekturen. Der Ausschuss will nun weiter prüfen. Fällt die Entscheidung gegen Samtlebens Einspruch, wird erwartet, dass dieser vor Gericht zieht.
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