Richtfest bei Kaisers
In Berlin feiert die Vergangenheit Auferstehung. Die Kritik am »Stadtschloss« hält an – die Sorge vor neuen »Rekonstruktionen« wächst
Berlin. Wer heute den Spruch »Früher war alles besser« im Munde führt, meint das in der Regel nicht so - sondern macht sich damit über eine nostalgische Haltung zur DDR lustig. Mit der Formulierung ließe sich freilich auch ein ganz aktueller Trend im staatsoffiziell unterstützen Bauen beschreiben: die Beton gewordene und mit Sandsteinstuck verkleisterte Wiedererrichtung von Gebäuden.
An diesem Freitag feiert in Berlin das sogenannte Stadtschloss Richtfest - an jenem Ort, an dem vorübergehend der Palast der Republik stand. Den Repräsentationsbau der DDR hätte man »gut vertragen können in Berlin«, sagt die Präsidentin der Architektenkammer der Hauptstadt, Christine Edmaier. Es sei interessanter, sich mit Geschichte auseinanderzusetzen, »als sie zu entsorgen«. Zumal: Die barocke dreiseitige Hülle, mit der sich der umstrittene Nachbau der Kaiser-Wilhelm-zwo-Residenz in der Ostberliner Innenstadt präsentieren soll, wird nicht nur teuer, sondern ist auch ein »rückwärtsgewandtes Zeichen« - eines, das in Gegensatz zum geplanten Humboldtforum steht, das den Dialog der Kulturen ermöglichen soll.
Edmaier fürchtet sogar, »dass dieses Schloss den Wunsch nach sich zieht, jetzt die ganze Innenstadt rekonstruieren zu wollen«. Die bauliche Sehnsucht nach Vergangenheit hat nämlich längst Spuren hinterlassen. Das zeigt der Wettbewerb zur Gestaltung der »historischen Mitte« Berlins, in dem der Ruf nach Wiederaufbau »historischer Fassaden« bereits Nachhall findet. In der benachbarten Landeshauptstadt Potsdam soll ein ursprünglich militärisches Bethaus wieder aufgebaut werden - wogegen protestiert wird. Über 500 Menschen haben jetzt den Aufruf »Christen brauchen keine Garnisonkirche« unterzeichnet, darunter der Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer und die frühere SPD-Ministerin Herta Däubler-Gmelin. tos Seiten 2, 11 und 12
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