Aussterbende Forscherart
Archäologen treffen sich in Thüringen. Sie fürchten um ihre Fächer an Universitäten
Erfurt. Archäologen in Deutschland sehen ihre Fächer an Hochschulen immer seltener vertreten und akut bedroht. Dort sei die Zukunft von Fachrichtungen wie Frühgeschichte oder Klassische Archäologie auch deshalb gefährdet, weil große Disziplinen wie Medizin immer mehr Platz für sich beanspruchten, sagte der Vorsitzende des West- und Süddeutschen Verbandes für Altertumsforschung (WSVA), Alfried Wieczorek, am Montag in Erfurt.
Inzwischen gebe es in ganz Deutschland nicht einmal mehr 30 Lehrstühle für archäologische Fächer. In den 1990er Jahren seien es noch doppelt so viele gewesen. In Erfurt tagen noch bis Donnerstag Archäologen aus ganz Europa, um über aktuelle Forschungstrends zu sprechen.
Der Mittel- und Ostdeutsche Verband für Altertumsforschung (MOVA) äußerte sich ebenfalls besorgt. »Natürlich sind solche Elfenbeinfächer auf der Streichliste«, erklärte sein Präsident Jasper von Richthofen und brach eine Lanze für seine häufig vernachlässigte Disziplin: Wer sich etwa mit Frühgeschichte beschäftige, der führe heute die Debatten um Asylbewerber ganz anders als es bislang geschehe. »Wir sind alle einmal Flüchtlinge gewesen - in unserem Gebiet.«
Wieczorek zufolge gibt es in Deutschland in der Wertschätzung der Archäologie ein ausgeprägtes Nord-Süd-Gefälle. Die Verantwortlichen in Politik und an Hochschulen in den südlichen Bundesländern hätten inzwischen erkannt, wie wichtig auch kleine Hochschulfächer seien. Die Bereitschaft, sie zu streichen, sei umso größer, je weiter man nach Norden gehe. Dabei gebe es etliche Beispiele, dass es viel teurer sei, einmal eingesparte Fächer später an Hochschulen wieder aufzubauen als diese durchlaufend fortzuführen.
Nach Angaben der Veranstalter sind zu der gemeinsamen Jahrestagung des WSVA und MOVA etwa 250 Forscher aus ganz Deutschland, der Schweiz, Tschechien und den Niederland nach Thüringen gekommen. dpa/nd
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