Was ist und kostet Menschenwürde - und wer bezahlt sie?

Um die Kosten für die Unterbringung, Versorgung und Integration von Flüchtlingen herrscht weiter Streit zwischen der Bundesregierung und den Ländern

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Bund hat seine Zahlungen für Flüchtlingsunterbringung auf eine Milliarde erhöht - zu wenig, so die Länder. Umstritten ist auch, wie sich der Bund in Zukunft dauerhaft an den Kosten beteiligt.

»Annäherungen« im Bund-Länder-Streit um die Flüchtlingsfinanzierung wurden schon öfter verkündet. So fand sich der Bund vor Wochenfrist bereit, seine »pauschale Hilfe« an die Länder im laufenden Jahr auf eine Milliarde zu verdoppeln. Auch sei die Bundesregierung bereit, sich ab 2016 »an den gesamtstaatlichen Kosten, die im Zusammenhang mit der Zahl der schutzbedürftigen Asylbewerber und Flüchtlinge entstehen, zu beteiligen« - also nicht nur Hilfen nach Beanspruchungslage zu gewähren, sondern sich strukturell einzubringen. Der Betrag und die Details sind jedoch offen. Mit einer Einigung beim Bund-Länder-Treffen am heutigen Donnerstag wurde nicht gerechnet. Sie ist für den Herbst angepeilt.

Auf Länderseite ist man mit den bisherigen Zusagen des Bundes nicht zufrieden. Zum einen war zuletzt von einem nötigen Bundeszuschuss von - bei erwarteten 400 000 Flüchtlingen - fünf Milliarden Euro die Rede gewesen. Die Mainzer Regierungschefin Malu Dreyer (SPD) hatte gesagt, dass die vom Bund bisher gewährte Aufstockung »nicht ausreicht für das Jahr 2015«. Allein Bayern erwartet bis Ende 2016 Kosten von drei Milliarden Euro. Bisher seien nur 1,5 Milliarden vorgesehen, sagte der Münchner Finanzminister Markus Söder (CSU) am Mittwoch. Der SPD-Bundesvize Thorsten Schäfer-Gümbel orderte die Bundesregierung nachdrücklich auf, mehr Verantwortung zu übernehmen.

Zudem werden in einzelnen Ländern erhebliche Kostensteigerungen bei speziellen Posten erwartet. Die Thüringer Bildungsministerin Birgit Klaubert (LINKE) etwa erwartet ab 2016 eine drastische Steigerung der Kosten für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Die Landesausgaben allein in diesem Bereich könnten von derzeit 4,2 auf schätzungsweise 38 Millionen Euro steigen, so Klaubert am Dienstag in Erfurt.

Der Grund sei eine Gesetzesinitiative zur Neuverteilung dieser bisher auf wenige Ballungszentren konzentrierten Personengruppe. Lebten bisher nur 53 unbegleitete Minderjährige in Thüringen, würden es demnach bis zu 500. Nun solle der Bund »für die finanziellen Folgen seines Gesetzes auch einstehen«.

Weiterhin ist bisher unklar, welche Leistungen auf Länderebene überhaupt gewährt werden sollen, um eine menschenwürdige Unterbringung zu gewährleisten. Ein Beispiel ist die Gesundheitsversorgung. Bisher werden Asylsuchende in aller Regel nur in akuten Notfällen mit in jedem einzelnen Krankheitsfall neu bei fachfremden Sachbearbeitern zu beantragenden Krankenscheinen behandelt. Nur in Bremen gibt es das Modell einer Behandlung mit regulären Gesundheitskarten. Im Herbst hatten Bund und Länder vereinbart, bundesweit die Einführung eines solchen Systems zu prüfen - ein Ergebnis gibt es bisher nicht. Der Deutsche Volkshochschulverband, die Gewerkschaft GEW und der Bundesverband Berufliche Bildung fordern zudem vom Bund 180 Millionen Euro mehr für Integrationskurse - auch, um diese für Asylsuchende öffnen zu können.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hielt am Dienstag ihrerseits den Ländern vor, keine einheitlichen Standards zu verfolgen. Gelder müssten schneller an die Kommunen weitergereicht werden - und abgelehnte Flüchtlinge schneller abgeschoben.

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