Ponta flüchtet in den Krankenstand

Neue Vorwürfe gegen den rumänischen Regierungschef

  • Thomas Roser, Belgrad
  • Lesedauer: 3 Min.
Rumäniens umstrittener Premier Ponta hat sich mit einer Krankmeldung vorzeitig in die Ferien verabschiedet. Die Opposition sieht eine Flucht vor der Justiz und fordert den Rücktritt.

Victor Ponta nutzte Facebook für seine Ankündigung. Rumäniens Regierungschef informiert die verblüffte Nation am Sonntag aus der Türkei von seinem befristeten Amtsverzicht. In den nächsten sieben Tage müsse er sich nach seiner Knieoperation in einer Istanbuler Klinik noch täglichen Untersuchungen unterziehen, danach werde er zwei Wochen an Therapie benötigen, um wieder gehen zu können, begründete der 42-jährige Sozialist seine Auszeit. Er werde Präsident Klaus Johannis darum bitten, gemäß der Verfassung seinen Stellvertreter und amtierenden Innenminister Gabriel Oprea für maximal 45 Tage zum geschäftsführenden Premier zu ernennen.

Ein verunglücktes Basketballspiel hatte dem Hobbysportler vor einigen Wochen sein Knieproblem beschert. Doch der selbst gewählte Zeitpunkt und Ort des medizinischen Eingriffs lassen bei der argwöhnischen Opposition Mitleid mit dem frisch operierten Rivalen erst gar nicht aufkommen. Ponta, gegen den die Justiz wegen Korruptionsverdacht ermittelt, wolle mit seiner »Selbstsuspendierung« nur »Zeit kaufen«, ätzt Alina Gorghiu, eine der beiden Vorsitzenden der oppositionellen Nationalliberalen (PNL) über den »Premier im Exil«. Der »Justizflüchtling« Ponta verstecke sich wie ein Feigling hinter den Ärzten in der Türkei, höhnt ihr Parteikollege Catalin Predoiu: »Die Regierung ist paralysiert, die Glaubwürdigkeit Rumäniens ruiniert. Ponta, tritt ab!«

Tatsächlich läuft es nicht nur auf dem Basketballplatz schon seit längerem nicht mehr rund für Rumäniens angeschlagenen Premier. Als haushoher Favorit verlor der Chef der regierenden PSD im November die Präsidentschaftswahl gegen den von der PNL nominierten Außenseiter und deutschstämmigen Bürgermeister von Hermannstadt (Sibiu), Klaus Johannis. Die ihn seit 2012 verfolgenden Plagiatsvorwürfe hatte er stets zurückgewiesen - um ihnen dann doch mit der Ankündigung des Verzichts auf seinen Doktortitel neue Nahrung zu geben. Zu der zunehmenden Kritik von Rivalen in seiner eigenen Partei gesellten sich zu Monatsbeginn auch noch die Ermittlungen von Rumäniens Sonderstaatsanwaltschaft für Korruptionsbekämpfung (DNA): Ponta steht im Verdacht, sich 2007 und 2008 mit fiktiven Beraterverträgen der Steuerhinterziehung und Geldwäsche schuldig gemacht zu haben.

Vergeblich forderte Präsident Johannis den Premier nach Bekanntwerden der Vorwürfe zum Rücktritt auf, weil das Land mit ihm als Regierungschef in »eine unmögliche Situation« gerate. Den DNA-Antrag zur Aufhebung der parlamentarischen Immunität Pontas lehnte das Parlament mit den Stimmen der Regierungsparteien genauso ab wie ein Misstrauensvotum der Opposition.

Dass sich Ponta ungeachtet der gegen ihn laufenden Justizermittlungen und unmittelbar vor dem EU-Sondergipfel zu Griechenland nun selbst in vorgezogene Sommerferien verabschiedet hat, nährt die Spekulationen, dass sich der Premier zumindest zeitweise aus der Schusslinie nehmen wolle. Von »schwachsinnigen« Vorwürfen spricht hingegen in Istanbul der Rekonvaleszent. Er sei schließlich vor seiner Operation zu der erbetenen Anhörung bei der DNA erschienen, habe alle gewünschten Dokumente vorgelegt. Sobald er wieder laufen könne, werde er sein Amt wieder aufnehmen - »ob mit oder ohne Krücken«.

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