Zschäpes Zahnweh

Verhandlungstag im NSU-Prozess wird wegen Zahnschmerzen abgebrochen

  • Lesedauer: 3 Min.
Am Montag hatte sie noch ihre Bereitschaft zur Aussage angekündigt, sofern sie ihre Verteidiger wechseln kann. Am Dienstag sagte Beate Zschäpe nicht aus. Grund: Zahnweh. Ob ihre Forderungen erfüllt werden, bleibt fraglich.

München. Im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München hat das Gericht am Dienstag den 212. Verhandlungstag wegen Zahnschmerzen der Hauptangeklagten Beate Zschäpe nach nur einer Zeugenvernehmung vorzeitig beendet. Zschäpe sollte noch am Dienstag eine Zahnbehandlung bekommen und der Prozess dann am Mittwoch planmäßig fortgesetzt werden, sagte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl. Eine Entscheidung über die von Zschäpe geforderte Ablösung ihrer Verteidigerin Anja Sturm fiel noch nicht.

Im Vorfeld des Verhandlungstages hatte ein handschriftlicher Brief der Angeklagten für Aufsehen gesorgt, in dem sie laut Medienberichten gegenüber dem Gericht eine grundsätzliche Aussagebereitschaft erklärte. Dafür nannte sie es demnach aber notwendig, dass alle ihre drei Verteidiger abgelöst werden. Mit dem Brief wollte sie die bereits beantragte Ablösung ihrer Verteidigerin Sturm begründen. Nach Angaben von Prozessbeteiligten ist mit einer Entscheidung über diesen Antrag nicht mehr in dieser Woche zu rechnen.

Vor der Prozessunterbrechung wegen der Zahnschmerzen Zschäpes sagte ein Mann aus, der 1998 Zeuge eines Raubüberfalls geworden war, der dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) um das rechtsextreme Trio Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Zschäpe zugerechnet wird. Der Mann gab an, damals als Jugendlicher nach dem Überfall auf einen Supermarkt drei Tätern aus Neugierde hinterher gelaufen zu sein. Ein Täter habe sich dann umgedreht und aus einer Pistole drei Schüsse auf ihn abgegeben. Diese hätten ihn nur knapp verfehlt, er habe eine Kugel an seinem Kopf vorbei fliegen gehört.

Der Mann konnte die Täter nicht eindeutig identifizieren. Er konnte wegen ihrer Vermummung auch nicht sagen, ob es sich bei den von ihm gesehenen Tätern um Männer oder Frauen gehandelt hat. Dem NSU wird der Überfall zugerechnet, weil am Tatort Patronenhülsen gefunden wurden, die von einer Waffe stammen, die das Trio auch bei anderen Taten benutzt hat.

Ein Nebenklägeranwalt nannte die Zeugenaussage in einer Erklärung bedeutsam, weil sie die von Anfang an vorhandene Brutalität des NSU belege. Die bereits kurz nach dem Untertauchen von Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos verübte Tat belege, dass das Trio von Anfang an auch zum Töten bereit gewesen seien.

Dem NSU wird eine Serie mit zehn Morden, mehreren Sprengstoffanschlägen sowie einer Reihe von Raubüberfällen angelastet. Aufgeflogen war das Trio nach einem jahrelangen Leben im Untergrund erst nach einem missglückten Raubüberfall, nach dem sich im November 2011 Böhnhardt und Mundlos das Leben genommen haben sollen. Wenig später hatte sich Zschäpe der Polizei gestellt. Sie ist in München mit vier mutmaßlichen NSU-Unterstützern angeklagt. AFP/nd

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