Beten für ein gnädiges Ende
In der Bundestagsdebatte über ein Gesetz zur Suizidbeihilfe überwogen Forderungen nach Einschränkung und Strafe
Karl Lauterbach, SPD-Politiker und selbst Mediziner, brachte es auf den Punkt: Einige Gesetzesvorschläge zielten darauf ab, Regelungen gegen wenige Menschen wie die Sterbehelfer Uwe-Christian Arnold oder Roger Kusch zu verabschieden. Es komme aber darauf an, für viele etwas zu tun. »Wir müssen den Menschen, die hier verzweifelt sind, ein Angebot schaffen«, sagte er. Palliativmedizin allein könne das nicht leisten.
Lauterbach vertritt den Entwurf einer Abgeordnetengruppe, die den ärztlich assistierten Suizid im Bürgerlichen Gesetzbuch verankern und damit Sterbehilfevereinen die Grundlage entziehen möchte. Er ist einer von vier Vorschlägen, die am Donnerstag im Parlament besprochen wurden. Ein weiterer Entwurf schlägt vor, solche Vereine unter strengen Regeln und Kontrollen gewähren zu lassen. In einem Papier wird jede Form von Sterbehilfe mit Haftstrafen geahndet und ein Gesetzesvorschlag will über das eindeutige Verbot jeder geschäftsmäßigen Form der Suizidbeihilfe hinaus nichts Wesentliches verändern. Nicht den Ärzten die Unsicherheit im Umgang mit sterbewilligen Patienten nehmen, schon gar nicht Schwerkranken Auswege zeigen.
Die Diskussion zeigte den eindeutigen Trend, die Grenzen für eine Beihilfe zum Suizid enger zu setzen und strafrechtliche Sanktionen für den Fall ihrer Überschreitung zu verankern. Ein selbstbestimmtes Lebensende ist für große Teile des Bundestages nicht vorstellbar - ganz anders verhält es sich Untersuchungen zufolge bei den Wählern dieses Gremiums. Über zwei Drittel der Bevölkerung wünschen sich bei schwerster Erkrankung die Möglichkeit, mit ärztlicher Hilfe ihr Leiden abzukürzen. Die Anzahl jener, die das dann tatsächlich tun wollen, ist gering. Statistiken aus der Schweiz zufolge berät die Organisation »Exit« jedes Jahr 2500 Sterbewillige, von denen sich im Anschluss 80 Prozent gegen den Suizid entscheiden. In Luxemburg, wo seit 2009 gesetzlich geregelt ist, dass Ärzte unheilbar Kranken helfen dürfen, ihr Leben zu beenden, geschah dies innerhalb von zwei Jahren lediglich 15 Mal.
Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung bitten nur wenige Krebspatienten ihren Arzt um Suizidbeihilfe, heißt es bei der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO). Neuen Zahlen der Ruhr-Universität Bochum zufolge wurden 43 Prozent der Ärzte von Patienten gefragt, ob sie grundsätzlich zur Assistenz bei einer Selbsttötung bereit wären. Konkrete Anfragen zur Verschreibung von Medikamenten zur Selbsttötung erhielten allerdings nur 13 Prozent der Befragten im Verlauf ihres Berufslebens. Dies kann die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) nur bestätigen: Die Anfrage nach ärztlicher Beihilfe zum Suizid ist auch aus ihrer Erfahrung ein sehr seltenes Phänomen. »Diese absoluten Einzelfälle rechtfertigen keine Änderung des Strafrechts«, betont Prof. Dr. Lukas Radbruch, Präsident der DGP. Doch genau darum geht es auch in dem Gesetzesvorschlag, mit dem sich die meisten Bundestagsabgeordneten identifizieren. Er will wenigstens geschäftsmäßige Sterbehilfe unter Strafe stellen. Der CSU-Sozialpolitiker Johannes Singhammer unterstützt ihn. Gestern schloss er seine Rede im Bundestag mit den Worten: »Ich bete für ein gnädiges Ende.«
Im November will der Bundestag entscheiden. Parallel berät er über den Ausbau der Betreuung sterbenskranker Menschen in der Palliativ- und Hospizmedizin. Es herrscht Einmütigkeit darüber, dass hier hoher Nachholbedarf besteht.
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