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30. Jahrestag des Srebrenica-Massakers
Von den Tagen des Grauens zu Urteilen wegen Völkermord
Sarajevo. Das Massaker von Srebrenica, das sich an diesem Freitag zum 30. Mal jährt, gilt als das schlimmste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. In der Stadt ermordeten bosnisch-serbische Milizen Schätzungen zufolge etwa 8000 muslimische Männer und Jungen. Hier die wichtigsten historischen Fakten:
Belagerung und Einnahme
Bereits zu Beginn des Bosnien-Krieges 1992 belagern bosnisch-serbische Einheiten die hauptsächlich von Muslimen bewohnte Kleinstadt Srebrenica. Sie liegt in einem Tal im Nordosten des Landes und nur 15 Kilometer von der Grenze zu Serbien entfernt. Um den Fall der Stadt zu verhindern, erklären die Vereinten Nationen diese im April 1993 zur Schutzzone und entsenden UN-Soldaten, die die Bevölkerung schützen sollen.
Anfang Juli 1995 nehmen die Truppen des bosnisch-serbischen Armeechefs Ratko Mladic mehrere Stellungen der UN-Schutztruppe Unprofor ein, nachdem sie zuvor bereits niederländische Blauhelmsoldaten als Geiseln genommen hatten. Serbische Panzer befinden sich zu diesem Zeitpunkt weniger als zwei Kilometer von der Stadt entfernt. Am 11. Juli nehmen Mladics Kämpfer Srebrenica ein.
Massaker
Zu diesem Zeitpunkt leben in der Stadt etwa 42 000 Menschen. Die Bevölkerung sucht teilweise Zuflucht bei den niederländischen Friedenstruppen, die sich auf ihren Stützpunkt in Potocari in der Nähe von Srebrenica zurückgezogen haben. Doch angesichts des massiven Andrangs schließen UN-Soldaten die Tore des Stützpunkts, während tausende verängstigte Menschen vergeblich Einlass suchen.
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Mladics Truppen trennen Frauen und Kinder von Männern und männlichen Jugendlichen. Diese werden mit Lastwagen weggefahren und exekutiert. Zahlreiche Jugendliche und Männer fliehen in die umliegenden Wälder, doch viele von ihnen werden gefangen genommen, an Ort und Stelle erschossen oder zu Hinrichtungsstätten gebracht. Innerhalb weniger Tage werden etwa 8000 muslimische Männer und Jugendliche getötet.
Die Leichen werden mit Baggern in Massengräbern verscharrt. Später lassen die bosnischen Serben die Gräber mit Bulldozern wieder öffnen, um die Leichen abzutransportieren und so das Ausmaß des Verbrechens zu vertuschen. Die niederländischen UN-Soldaten verlassen das Gebiet am 21. Juli, zehn Tage nach dem Fall der Stadt. Ihnen wird später vorgeworfen, die Einnahme von Srebrenica geduldet zu haben.
Urteile
Bereits ab dem 17. Juli werden erste Zeugenaussagen von Geflüchteten bekannt, die von Morden, Folter und Vergewaltigungen durch Mladics Truppen berichten. Im Laufe der Zeit werden immer mehr grausige Details bekannt.
Ende Juli 1995 erhebt der vom UN-Sicherheitsrat eingerichtete Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) erste Anklagen gegen den bosnischen Serbenführer Radovan Karadzic und seinen Armeechef Mladic wegen Verbrechen, die bereits vor dem Massaker von Srebrenica begangen wurden. Die Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Massaker werden der Anklage später hinzugefügt.
Mit der Unterzeichnung des Dayton-Friedensabkommens am 14. Dezember in Paris endet der Krieg offiziell. Karadzic und Mladic sind jahrelang auf der Flucht. Sie werden 2008 beziehungsweise 2011 in Serbien festgenommen und beide schließlich vom ICTY wegen Völkermords, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zu lebenslanger Haft verurteilt. Beide sitzen bis heute im Gefängnis.
Der Oberste Gerichtshof der Niederlande spricht dem niederländischen Staat 2019 eine Teilschuld an der Tötung von 350 bosnischen Muslimen zu. Diese hatten auf dem Blauhelm-Stützpunkt Potocari Schutz gesucht, bevor sie von den bosnisch-serbischen Streitkräften verschleppt und getötet wurden.
Im Mai 2024 erklärt die Uno den 11. Juli zum Internationalen Gedenktag für den Völkermord von Srebrenica. AFP/nd
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