Wurde der »Spiegel« vom CIA überwacht?

Nachrichtenmagazin erstattet Anzeige gegen Geheimdienst / Ruf nach Konsequenzen aus neuen Enthüllungen zur NSA wird lauter / Geheimdienstkontrolleur des Bundestages fordert neue Ermittlungen des Bundesanwalt

  • Lesedauer: 3 Min.

Update 16.30 Uhr: »Spiegel« vom CIA überwacht?
Das Nachrichtenmagazin »Spiegel« geht davon aus, von US-Geheimdiensten abgehört worden zu sein. Die Verantwortlichen des Magazins haben daher Strafanzeige in Karlsruhe wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit und der Verletzung des Fernmeldegeheimnisses erstattet. Das berichtet das Magazin in seiner neuesten Ausgabe (Samstag). Die Bundesanwaltschaft bestätigte den Eingang der Anzeige am Freitag.

Das Magazin beruft sich auf Vorgänge aus dem Jahr 2011: Damals habe die CIA-Spitze den Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt Günter Heiß vor angeblichen Kontakten des »Spiegel« in deutsche Regierungsstellen gewarnt.

Konkret sei demnach Heiß' Stellvertreter Hans Josef Vorbeck verdächtigt worden, Dienstliches weiter gegeben zu haben. Die angebliche Kontakte Vorbecks zum Magazin würden in einem geheimen Vermerk des Kanzleramts ausdrücklich erwähnt, schreibt das Magazin.

Vorbeck sei kurz darauf versetzt worden, juristische Konsequenzen habe der Verdacht nicht gehabt. Der Vorgang werde derzeit vom NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags untersucht.

NSA: Jüngste Enthüllungen wohl nur die Spitze des Eisbergs

Berlin. Die SPD und die Opposition drängen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) angesichts der neusten Enthüllungen in der NSA-Affäre zu mehr Anstrengungen für umfassende Aufklärung. Die jüngsten Enthüllungen seien wohl nur die Spitze des Eisbergs, sagte der SPD-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags, Christian Flisek, nach einer stundenlangen Sitzung in der Nacht zum Freitag. Die Kanzlerin müsse für Aufklärung sorgen.

Die Obfrau der Linken, Martina Renner, sagte, der Bundesregierung habe trotz vieler vorangegangener Enthüllungen jede Sensibilität gefehlt, überhaupt nur zu erwägen, »dass der US-Geheimdienst NSA in Deutschland auch Spionage betreibt«. Angesichts der in Rede stehenden Ausspähung ganzer Ministerien sei es deutlich zu vage, »was die Bundesregierung im Augenblick an Konsequenzen an den Tag legt«. Grünen-Obmann Konstantin von Notz warf der Regierung und speziell Merkel vor, Aufklärung zu sabotieren.

Der US-Geheimdienst NSA soll nicht nur die Kanzlerin, sondern jahrelang weite Teile der Regierung ausgespäht haben - darunter Spitzenbeamte und Minister aus dem Wirtschafts-, dem Finanz- und dem Agrarressort.

Der oberste Geheimdienstkontrolleur des Bundestags, André Hahn (Linke), forderte deutliche Konsequenzen. »Alle Zusicherungen, man spioniere nicht gegen Deutschland, waren offenbar falsch«, sagte der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums der »Berliner Zeitung« (Freitag). »Es geht um knallharte politische Spionage. Die ist strafbar. Deshalb muss der Generalbundesanwalt sofort Ermittlungen aufnehmen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.«

Der ehemalige Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine warf den USA Wirtschaftsspionage vor. »Es geht um Wirtschaftsspionage. Das wird zwar öffentlich bestritten, aber es wird ja auch viel gelogen«, sagte der heutige Linke-Politiker der »Saarbrücker Zeitung« (Freitag).

Ex-Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) sagte in stundenlanger Befragung vor dem NSA-Ausschuss in der Nacht zu Freitag aus, er habe viele Details der Datenspionage nicht gekannt. Das Kanzleramt ist für die Aufsicht über den Bundesnachrichtendienst (BND) zuständig, der der NSA etwa durch das Abschöpfen von Kommunikation an einem Kabelknotenpunkt in Frankfurt/Main geholfen haben soll. Fehler will Pofalla nicht gemacht haben. Die Befragung entglitt immer wieder in Wortgefechte mit den Ausschuss-Mitgliedern der SPD und der Opposition.

Mehrere Ausschuss-Mitglieder hinterfragten, warum Pofalla 2013 ein »No-Spy-Abkommen« mit den Amerikanern ankündigte. Der damaligen Regierung war vorgeworfen worden, dies aus Wahlkampfgründen zur Beruhigung der Öffentlichkeit angekündigt zu haben. Pofalla wies dies rundheraus zurück. Flisek warf Pofalla einen arroganten Auftritt vor. dpa/nd

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal