Ferienjobs als Nachwuchswerbung

Koffer tragen, Eis verkaufen, Kühe hüten - Stellen für Schüler, die im Sommer arbeiten wollen, sind oft rar

  • Grit Büttner, Rostock
  • Lesedauer: 4 Min.
In den Ferien verdient sich mancher Jugendliche gern ein paar Euro zum Taschengeld hinzu. Und er erhält einen Vorgeschmack aufs Berufsleben. Doch Schülerjobs sind rar - auch im Nordosten.

Touristen die Koffer tragen ist nicht unbedingt das, was Teenies in den Ferien mögen. Im Ostseebad Warnemünde bei Rostock ist das mitunter anders. Der Job eines Hotelpagen im Fünf-Sterne-Haus »Neptun« ist bei Schülern so beliebt, dass die Stellen rund ein Jahr im Voraus vergeben sind, sagt Ausbildungsleiterin Juliane Gorski. Auch diesen Sommer seien alle Schülerjobs besetzt. Neben vier Hoteldienern würden vier Eisverkäufer, drei Zimmermädchen und zwei Frühstückshilfen im sogenannten »Ferienpool« für jeweils ein, zwei Wochen beschäftigt.

Vor allem Fachkräftenachwuchs verspricht sich die Luxus-Herberge am Warnemünder Strand von den Angeboten für 15- und 16-Jährige, erklärte Gorski. Etwa jeder fünfte Schüler, der als Praktikant oder Ferienjobber im Hotel tätig war, entscheide sich für eine Ausbildung oder sogar ein duales Studium in der Branche. Derzeit beschäftige das 290-Mitarbeiter-Haus 55 Lehrlinge. Nach dem Abschluss würde etwa jeder zweite Azubi übernommen.

Welche Tätigkeiten sind erlaubt – und was ist sonst noch wichtig?

Die Sommerferien stehen kurz bevor, viele Schüler wollen sich ein paar Euro hinzuverdienen. Doch bei Ferienjobs gibt es einiges zu beachten.

Ab welchem Alter dürfen Schüler arbeiten?
Grundsätzlich ist Kinderarbeit in Deutschland bis einschließlich des 14. Lebensjahres verboten. Allerdings gibt es Ausnahmen, wie der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) erklärt: Wenn Eltern zustimmen, dürfen Kinder über 13 Jahre pro Tag bis zu zwei Stunden arbeiten – in der Landwirtschaft bis zu drei Stunden. Erlaubt sind nur leichte Tätigkeiten wie Zeitungen austragen oder Gartenarbeit. Zudem sind diese Arbeiten zwischen acht und 18 Uhr zu erledigen.

Welche Tätigkeiten dürfen Schüler verrichten?
Das hängt vom Alter ab. Wer zwischen 15 und 17 ist, gilt als Jugendlicher und muss mit weniger Einschränkungen rechen. Schwere körperliche oder gefährliche Arbeit ist jedoch auch für Jugendliche tabu – gleiches gilt für Akkordarbeit.

Wie lange dürfen Schüler arbeiten?
Hier gibt es Unterschiede, insgesamt aber gilt: in allen Ferien zusammen nicht länger als vier Wochen im Jahr. Pro Tag dürfen Schüler nicht mehr als acht Stunden, in der Woche nicht mehr als 40 Stunden arbeiten. In den meisten Fällen muss die Arbeitszeit zwischen sechs und 20 Uhr liegen. Ausnahmen gelten für Jugendliche ab 16 Jahren, die im Gastgewerbe bis 22 Uhr und in Mehrschicht-Betrieben bis 23 Uhr arbeiten dürfen. Abgesehen von Veranstaltungen dürfen Schüler nicht am Wochenende arbeiten.

Wie lang müssen die Pausen sein?
Laut Jugendarbeitsschutzgesetz haben Schüler, die zwischen viereinhalb und sechs Stunden pro Tag arbeiten, Anspruch auf mindestens 30 Minuten Pause. Liegt die Arbeitszeit darüber, sind es 60 Minuten.

Bekommen Schüler Mindestlohn?
Nicht, wenn sie unter 18 Jahre alt sind. Für erwachsene Ferienjobber gilt das Mindestlohngesetz aber. Sie haben Anspruch auf 8,50 Euro pro Stunde.

Sind die Jobs steuerpflichtig?
Wenn Schüler über 900 Euro brutto im Monat verdient haben, ja. Dies gilt auch für den Fall, dass sie insgesamt nur einen Monat in den Ferien gearbeitet haben. Normalerweise können sich die Schüler ihre Steuern aber wieder vom Finanzamt zurückholen, da sie aufs Jahr gerechnet die Summe für das steuerfreie Existenzminimum nicht überschreiten. Aus diesem Grund brauchen Arbeitgeber auch eine Lohnsteuerkarte.

Ist ein Arbeitsvertrag nötig?
»Auf jeden Fall sollte jede Schülerin und jeder Schüler nur mit einem schriftlichen Vertrag in der Hand den Ferienjob beginnen«, rät DGB-Bundesjugendsekretär Florian Haggenmiller. Darin sollten die jeweiligen Aufgaben, die Arbeitszeiten und die Entlohnung klar definiert werden. Hielten sich Arbeitgeber nicht an die Verträge, sollten sich Schüler zusammen mit ihren Eltern an das örtliche Gewerbeaufsichtsamt oder Ämter für Arbeitsschutz wenden. AFP/nd

Schülerjobs verlangten vom Unternehmen einigen Aufwand, da die Jugendlichen fachlich angeleitet werden müssten. »Doch es lohnt sich«, betont die Ausbildungschefin. »Ferienarbeit ist eine Chance für Unternehmen, junge Leute ans Berufsleben heranzuführen, und die Schüler können ihre Motivation, Eignung und Belastbarkeit testen.« Für das neue Lehrjahr gebe es wieder viele Bewerber, sagt Gorski. »Wir haben tolle junge Leute gefunden, die wirklich in die Branche wollen.«

Der Sprecher der Regionaldirektion Nord der Bundesagentur für Arbeit in Kiel, Horst Schmitt, sieht in Ferienjobs ebenfalls eine gute Möglichkeit zur Nachwuchsgewinnung. Der Mindestlohn gelte erst für Schüler ab 18 Jahren, erklärt er. Für Jüngere sei so eine Ferienarbeit vor allem guter Beitrag zur Berufsorientierung. »Wir brauchen mehr Betriebe, die über Ferienjobs für sich und ihre Branche werben und dadurch Interesse an einer dualen Ausbildung wecken.«

Einen neuen Weg geht der Landkreis Vorpommern-Greifswald. Die Verwaltung richtete im letzten Herbst eine Internet-Plattform für Ferienjobs (www.schueleratwork.de) ein. Betriebe stellen hier mit wenigen Klicks ihre Angebote für Schüler und Studenten ein, Bewerber können sich online mit den Arbeitgebern in Verbindung setzen. Eine Vernetzung mit Schulen sei geplant.

Leider werde die Plattform, die auch bei Facebook vertreten sei, bislang von der Wirtschaft kaum genutzt, sagt Anke Radlof von der Pressestelle der Kreisverwaltung. »Ferienjobs gibt es, doch Jugendliche finden sie nur schwer.« Aktuell werden über die Jobseite Ferienarbeiten als Rettungsschwimmer auf der Insel Usedom sowie Arbeiten im Raum Anklam in einer Metallwerkstatt und in der Landwirtschaft angeboten.

Im Agrarbetrieb Krien meldeten sich bisher zwei Jungs, die in den Sommerferien Ställe reinigen und Kühe von einer Weide auf die nächste treiben wollen, wie Betriebschef Torsten Prust erklärte. Der Stundenlohn für die 16-Jährigen liege bei sieben Euro. Ferienjobber beschäftige er seit Jahren, einige Schüler kämen sogar mehrmals. »Manch einer wird nach der Schule dann Azubi in der Landwirtschaft«, sagte Prust. Die Arbeitsagenturen mahnen mehr Informationen seitens der Unternehmen über freie Stellen an. Sprecherin Anne Ebbecke in Schwerin kritisiert, dass der Agentur Schülerjobs fast nie mitgeteilt würden. So seien Teenies oft auf Mund-zu-Mund-Propaganda angewiesen, wenn sie in den Ferien arbeiten wollen. Andrea Heyl, Teamleiterin im Arbeitgeberservice, sagt, dass noch kurz vor den am 20. Juli beginnenden Ferien mit spontanen Jobangeboten zu rechnen sei. Wetterabhängig würden etwa Eisverkäufer oder Animateure gesucht.

Mehr Möglichkeiten gibt es in der Universitätsstadt Rostock. Aktuell lägen rund 750 Jobangebote für Studenten und Schüler vor, allerdings nur vereinzelt für Jungen und Mädchen unter 18 Jahren, sagt Sprecher Thomas Drenckow. Die meisten Arbeiten gebe es in Hotels, Gaststätten und im Handel. Schüler sollten selbst aktiv auf Suche gehen und sich initiativ bewerben, rät er. Nützlich seien dafür die Berufe-Entdecker-App der Bundesagentur beziehungsweise die Internetseite planet-beruf.de.

Gute Chancen hätten Jüngere in der sogenannten Systemgastronomie, meint Jens Matschenz von der Vereinigung der Unternehmensverbände. Die Franchiser böten besonders viele Ferienjobs an. Schüler und Studenten nutzten diese aber nicht nur in der Urlaubszeit, sondern stundenweise übers ganze Jahr hinweg. Und die Systemgastronomen vergüteten auch Schülerarbeit in Höhe des Mindestlohns, betont der Sprecher in diesem Zusammenhang.

Mecklenburg-Vorpommerns Landeswirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) empfiehlt Jugendlichen Ferienjobs zum »Reinschnuppern« ins Berufsleben. »Disziplin, wie Termine wahrzunehmen, Ordnung am Arbeitsplatz zu halten oder auch morgens pünktlich auf Arbeit zu sein, sind wichtige Werte, die nicht früh genug erlernt werden können.« Auch Arbeitgeber könnten profitieren, sagt Glawe. »Passen Unternehmen und Schüler zusammen, kann im besten Fall daraus ein Ausbildungsplatz entstehen.« dpa/nd

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