Mieses Stück Scheiße?

Christian Baron über gewisse Befindlichkeiten der Polizei

  • Christian Baron
  • Lesedauer: 2 Min.

Sie wollte den Protest buchstäblich austrocknen. Anders sind die Aktionen der Polizei am Freitagabend vor der Demonstration gegen die an Griechenland gerichtete Sparpolitik nicht zu erklären. Wegen eines Transparents mit der Aufschrift »Deutschland du mieses Stück Scheiße« wurden einige Teilnehmer festgehalten und andere eingekesselt. Mehr als anderthalb Stunden lang konnte der Protestzug nicht starten. Doch das Kalkül der Staatsmacht ging nicht auf: Trotz großer Hitze harrten fast 3000 Menschen am Oranienplatz in Kreuzberg aus und setzten sich mit erheblicher Verspätung in Bewegung. Nach Ende der Demonstration griffen sich die schwer gepanzerten Cops weitere Protestierende und schleppten sie davon mit dem hämisch grinsend vorgetragenen Hinweis: »Mitkommen, Sie sind verhaftet!«

Die Aktivisten jener linken Gruppe, die für das Transparent und die Zettel mit dem Spruch verantwortlich sind, mögen großen Spaß empfunden haben bei ihrer Provokation. Sie haben der Berliner Polizei damit aber eine Steilvorlage geliefert, auf die sie nur gewartet haben dürfte. Ganz abgesehen davon, dass der Slogan inhaltlich ebenso platt wie einfältig ist. Reduziert er doch ein kapitalistisches Problem auf einen Nationalstaat, als müsse nur »das Deutsche« als in sich geschlossenes Denksystem ausgemerzt werden und die Austerität wäre beendet.

Und doch ist es bedenklich, dass sich die Polizei hinter dem umstrittenen Strafgesetzbuch-Paragrafen 90a versteckt. Entlarvt dies doch, wie wenig manche der Obrigkeit treu ergebenen Ordnungshüter hierzulande von dem demokratischen Grundsatz der Meinungsfreiheit halten. Die Repression gegen friedliche Demonstranten ist nur ein weiterer Grund, warum deutsche Politiker besser nicht mehr voller Heuchelei den Zeigefinger gen Moskau recken sollten.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal