Obamas letzter Wahlkampf

Erstmals seit vier Jahrzehnten dürfen Touristen im Weißen Haus fotografieren

  • Reiner Oschmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Barack Obama will kein allzu professoraler Präsident sein. Also lässt er Besucher seines Amtssitzes jetzt auch wieder Fotos machen.

Barack Obama kann bekanntlich kein drittes Mal für das US-Präsidentenamt kandidieren, so dass man eine Maßnahme, die soeben seine Frau öffentlichkeitswirksam verkündete, als Obamas letzten Wahlkampf bezeichnen könnte: First Lady Michelle trat in einem Video auf und zerriss augenzwinkernd ein Schild mit der Aufschrift »No cameras or social media allowed«. Der Hinweis hatte sich auf das kategorische Fotoverbot im Weißen Haus in der Bundeshauptstadt Washington bezogen. Es war vier Jahrzehnte als Schutz gegen Blitzlichtschäden der Gemälde in Kraft und wurde nun von der Präsidentengattin kassiert. Damit dürfen die Touristen, die täglich durch den weitläufigen, von viel Grün eingefassten Gebäudekomplex ziehen, seit 1. Juli wieder fotografieren und Videos aufnehmen. Großkameras, Stative und Selfie-Sticks bleiben ausgenommen.

Da nichts dem Zufall überlassen wird, was den Präsidentensitz betrifft, wurde Michelle Obamas Ankündigung sogleich auf ihre Beweggründe untersucht. Der Tenor ist klar: Nachdem im begonnenen Wahlkampf für die nächste Präsidentenwahl 2016 das Dutzend Anwärter der Republikaner dem amtierenden Präsidenten von den gegnerischen Demokraten professorale Volksferne vorwirft, muss den Obamas die Aufhebung des Fotoverbots verlockend erschienen sein. Präsidentenchronist Robert Dallek sagte der »New York Times«: »Solche Schritte werden nicht ohne politische Absichten gegangen. Ich glaube, die Obamas wollten damit zeigen, dass sie sich nicht ohne Weiteres verkrusteten Regeln und Traditionen unterwerfen.«

Tatsächlich seien die ersten Touristen, die von der Regeländerung profitieren, gleich aus dem Häuschen gewesen. Wie es heißt, mauserten sich die Präsidentenhunde »Bo« und »Sunny« schnell zu den beliebtesten Motiven. Derlei Schnappschüsse können derzeit aber nur US-Staatsbürger machen, die es geschafft haben, Tickets für eine Besichtigung des Amts- und Wohnsitzes des Präsidenten zu erhalten. Ausländische Touristen haben wegen einer andauernden Umstellung des Buchungssystems vorerst keine Chance auf Eintrittskarten. Wie lange diese Beschränkung gilt, lässt sich laut deutscher Botschaft noch nicht sagen.

Das Weiße Haus ist mehr als eine Immobilie. Es ist Büro, Wohnhaus und Nationalmuseum in einem. Das Haus, das auf sechs Etagen 132 Räume, 35 Bäder, 412 Türen und 3 Aufzüge beherbergt, atmet zudem viel Geschichte, die mit dem Einzug der Obamas wachgerufen wurde: Es waren großenteils schwarze Sklaven, die das Weiße Haus errichteten. Mehrere Präsidenten brachten eigene Sklaven mit. Auch der Name des Gebäudes ist damit verbunden. Als Präsident Theodore Roosevelt 1901 den schwarzen Sozialreformer Booker T. Washington zum Dinner einlud, war der öffentliche Aufschrei so enorm, dass Roosevelt das Gebäude offiziell in »The White House« umbenannte. Bis zu Kennedys Präsidentschaft (1961 - 1963) gab es dort nicht mal schwarze Personenschützer.

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