Die Agenten der Gewalt

Die Ausstellung »Fire and Forget. On Violence« überprüft Vorstellungen von Krieg und Gewalt

  • Celestine Hassenfratz
  • Lesedauer: 3 Min.
Drohnen sind die Mordwerkzeuge des Militärs, deren Einsatz von den Piloten scheinbar keine Gewissensnöte mehr abverlangt. Die Ausstellung »Fire and Forget« in den Kunst-Werken in Berlin über die Krieg und Gewalt im 21. Jahrhundert.

Sie warten im dritten Stock, die Hüter des deutschen Gesetzes. Zehn Mann, vermummt von der Stiefelkappe bis zum Schutzhelm, das Gesicht haben sie hinter einer schwarzen Maske versteckt. Feige und bedrohlich sehen sie aus, stehen dort, im KW-Institute for Contemporary Art und erschrecken die Besucher. Ganz still verharren die Polizisten, einige bewegen von Zeit zu Zeit langsam den Kopf, der Mensch unter der Uniform scheint zu atmen. Doch sind sie nur Puppen mit mechanischem Getriebe und Teil der Ausstellung »Fire and Forget. On Violence«, die das KW-Institut als Gruppenausstellung in Zusammenarbeit mit der Jugendkunstschule Berlin zeigt. Der Begriff »Fire and Forget« stammt aus dem Militärjargon und bezeichnet Waffensysteme, die aus gefahrloser Distanz zum Feind ausgelöst werden. So wie die Drohne, die der britische Künstler James Bridle vor dem Eingang des Museums 1:1 auf die Straße gezeichnet hat. Viele Besucher laufen erst achtlos vorbei an der Waffe, die Menschen per Fernsteuerung unbemannt treffen und scheinbar eigenständig töten kann. Eine so saubere Waffe, bei der das Töten nicht mehr mit dem Gewissen beantwortet werden muss. Eine Besucherin steht auf den Flügeln der Drohne und stellt erschrocken fest, dass diese viele größer ist, als sie gedacht hätte. Ein Effekt, auf den Bridle abzielt. Er will Öffentlichkeit schaffen mit seiner Drohnen-Kunst und verkörpert damit die Idee der Ausstellung: Das Zeigen der Agenten von Gewalt: Waffen.

Im Projektraum der Ausstellung können Besucher die Arbeiten der Jugendlichen der Jugendkunstschule sehen. Bazookas aus Holz und Pappe. Maschinengewehre aus buntem Plastik und grauen Abflussrohren. Durch das verspielte Material verlieren die Objekte ihre bedrohliche Wirkung und wirken dennoch, subtiler, wie ein Mahnmal der Zerstörung mit hässlich lächelnder Fratze.

Die Ausstellung konfrontiert den Besucher auf verschiedenen Ebenen mit geläufigen Vorstellungen von Krieg und Gewalt und orientiert sich dabei an vier Themenbereichen. Besucher müssen sich durch zwei schwarze Drehkreuze eindrehen in eine Welt, die von Grenzen, Affekten, Erinnerungen und Ereignissen in Bezug auf Krieg erzählt. Eine Arbeit, die das Thema Grenzen aufgreift, ist der »Sand Printer«. Die israelischen Künstler Roy Brand, Ori Scialom und Keren Yeala Golan haben ihn entworfen. Ein Roboter zeichnet unaufhörlich die Grenzen Israels in den feinen Sand. Dabei folgt die Maschine einem Algorithmus, legt selbst fest, ob sie in einem Schritt die Grenzen von der Gründung Israels 1948, 1951 bis hin zu den heutigen Grenzen zeichnet. Eine Besucherin steht gebannt vor der Installation und wundert sich über die kleinen Kreise, die der Roboter immer schneller im Westjordanland zu ziehen scheint. »Siedlungen«, klärt sie ein anderer Besucher auf.

Im größten Ausstellungsraum, der sich mit den Affekten von Krieg auseinander setzt, wartet ein hellbrauner Panzer. Platt gedrückt erhebt sich nur das Rohr, aus dem die tödliche Munition geschossen wird, von der Erde. Der Panzer ist aus Leder gefertigt, eine große Handtasche des Krieges hat der chinesischen Künstler He Xiangyu hergestellt. An der Wand dahinter: Einschusslöcher. Auf neun Metallplatten stellt die italienische Künstlerin Clara Ianni dar, welche Löcher eine neun Millimeter oder eine 12/70 Buckshot in künstliches Material fressen können. Auch die Lust, die menschliche Wesen an Gewalt empfinden können, macht »Fire and Forget. On Violence« sichtbar. Jäger aus Youtube-Videos, Jugendliche, die erzählen, wie sie versehentlich ihre Haustiere getötet haben, zeigen die Verherrlichung von Gewalt, die der Gesellschaft innewohnt. Die Kunst wirkt dokumentarisch, legt diese Verbindung ohne Scheu offen. Die Rolle der Opfer von Gewalt spart die Ausstellung aus und konfrontiert die Besucher vielmehr mit ihren eigenen Ängsten.

Eine junge Studentin steht vor der Polizistenfront im letzten Ausstellungsraum. »Sie wirken so unmenschlich. Mehr Uniform als Mensch«, sagt sie und spricht damit eine Realität aus, die sich nicht nur im KW-Institute for Contemporary Art finden lässt.

Kunst-Werke Berlin, Auguststraße. 69, Mitte, bis 30.8.; www.kw-berlin.de

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