Finsternis am Anfang des Tunnels
Hunderte Flüchtlinge versuchen unter Lebensgefahr, von Frankreich nach Großbritannien zu gelangen
Berlin. Das Flüchtlingsdrama am Eurotunnel zwischen Frankreich und Großbritannien spitzt sich zu. Hunderte Flüchtlinge versuchten in den vergangenen Nächten, auf der französischen Seite des Ärmelkanals zum Tunnel vorzudringen, wie Betreibergesellschaft und Polizei am Mittwoch mitteilten. Dabei starb erneut ein Flüchtling, der neunte seit Anfang Juni.
Ein Polizist sprach von rund 1500 Versuchen von Flüchtlingen in der Nacht auf Mittwoch, zum Eurotunnel vorzudringen und so nach Großbritannien zu gelangen. Um das weiträumige, abgesperrte Gelände um den Eurotunnel hätten sich zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens zwischen 500 und 1000 Flüchtlinge versammelt. Ein Flüchtling könne in einer Nacht zwei oder drei Mal versuchen, auf das Gelände vorzudringen. In der Nacht auf Dienstag hatte es nach Angaben der Betreibergesellschaft Eurotunnel rund 2000 Versuche gegeben, auf das Gelände zu gelangen. »Ich habe es heute Nacht drei Mal versucht, aber es war sehr schwierig wegen der vielen Wachleute«, sagte ein sudanesischer Flüchtling der Nachrichtenagentur AFP. »Ich weiß, dass es sehr gefährlich ist, aber ich versuche es.«
Die Fluchtversuche enden für die Migranten immer wieder tödlich: Am Mittwochmorgen wurde in der Nähe des Tunnels der Leichnam eines Flüchtlings aus Sudan entdeckt. Der zwischen 25 und 30 Jahre alte Mann wurde nach Worten eines Polizisten offenbar von einem Lastwagen überfahren, als er auf einen Zug steigen wollte, von dem der Lkw gerade herunterfuhr.
In Deutschland gingen unterdessen die Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte weiter. Unter anderem drangen Unbekannte in der Nacht zum Mittwoch in ein Mehrfamilienhaus im mittelsächsischen Lunzenau bei Chemnitz ein und öffneten auf allen Etagen mehrere Wasserhähne, wie die Polizei mitteilte. In dem Haus sollten mehrere Wohnungen für Asylbewerber entstehen.
Eine minimale Verbesserung für junge Asylbewerber und Geduldete beschloss am Mittwoch das Bundeskabinett. Mit einer Änderung der Beschäftigungsverordnung sollen die Betroffenen leichter eine Praktikumsstelle erhalten können. Asylbewerber und Geduldete können auch bisher schon Praktika absolvieren. Allerdings muss die Bundesagentur für Arbeit zustimmen und prüfen, ob es Arbeitnehmer gibt, die ein Vorrecht auf den Praktikumsplatz haben. Durch die Änderung entfällt dies. Die Erleichterung gilt für Pflichtpraktika, Orientierungspraktika und ausbildungs- oder studienbegleitende Praktika mit einer Dauer von jeweils bis zu drei Monaten. Außerdem wird die Teilnahme an einer Einstiegsqualifizierung oder Berufsausbildungsvorbereitung erleichtert. Die Linkspartei kritisierte den Schritt als nicht ausreichend und fordert eine Integration »von Beginn an«. Der Zugang zum Arbeitsmarkt sei dabei von zentraler Bedeutung, so Parteichef Bernd Riexinger. »Die Menschen möchten ihren Lebensunterhalt selber verdienen, arbeiten zu können, bedeutet Teilhabe an der Gesellschaft.« Agenturen/nd Seiten 5, 7 und 13
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