»Rolle vorwärts« des goldenen Tsipras

Der griechische Premier gerät wegen seiner veränderten Haltung zu den Goldminen in Chalkidiki in die Kritik von Aktivisten

  • John Malamatinas
  • Lesedauer: 3 Min.
Als Oppositionspartei versprach SYRIZA, die Goldminen in Chalkidiki zu schließen. Nun will Tsipras die dortigen Arbeitsplätze erhalten.

Alexis Tsipras bekommt die Empörung von der nördlichen Halbinsel Chalkidiki bis Athen wohl nicht zu hören, aber doch zu spüren. Mit seinen jüngsten Aussagen über die Fortsetzung des Abbaus von Gold auf den »drei Fingern« ging der griechische Ministerpräsident und SYRIZA-Vorsitzende weit hinter die Forderungen seiner Partei zu Oppositionszeiten zurück. Bevor SYRIZA die Regierung in Griechenland stellte, setzte sich die Linkspartei noch vehement für die Schießung der umweltbelastenden Goldminen aus. Jetzt traut sich Tsipras nicht mehr an sie heran. Im Interview mit dem SYRIZA-nahen Radiosender »Kokkino« sagte der Premier vergangene Woche, dass die Gerechtigkeit des Kampfes nicht durch Rache gegen die Firma und Arbeiter erreicht werden könne. Die »soziale Gerechtigkeit« müsse geschützt werden. 5000 Jobs seien gefährdet.

Insbesondere für die Nennung dieser Zahl erntete Tsipras heftige Kritik. In Wirklichkeit seien nur »1996, davon mindestens ein Drittel Sicherheitspersonal« bei den Goldminen beschäftigt. Unter dem Hashtag skouries (der Ort der Baustelle) entwickelte sich im Kurznachrichtendienst Twitter ein regelrechter »Shitstorm«. Viele Tweets sprechen von einer »Rolle vorwärts« von Tsipras. Fotos von der Baustelle werden mit Kommentaren wie »Die neue Sahara-Wüste liegt in Griechenland« versehen.

Das Gelände wurde im Jahr 2003 von der Firma Hellas Gold für nur 11 Millionen Euro gekauft und ist nun im Besitz der kanadischen Firma Eldorado Gold. Schon seit 2006 formierte sich Widerstand in der Bevölkerung der Urlaubsregion gegen die erwartete Umweltkatastrophe und ihre sozialen wie wirtschaftlichen Folgen, besonders für den Tourismus und die Landwirtschaft. Von dem erwarteten Milliardengewinn soll zudem fast nichts in die Staatskasse fließen.

Dies kritisierte stets auch SYRIZA - bis zur Regierungsübernahme im Januar. Ob bei Besuchen in Chalkidiki oder mit der Teilnahme hochrangiger SYRIZA-Politiker an Demonstrationen in Athen, die Linkspartei hatte den direkten Abbruch der Arbeiten in Skouries zugesagt.

Dies ist nicht geschehen. Allerdings hat der ehemalige Minister für Umwelt und Energie, Panagiotis Lafazanis, der Firma Eldorado Gold das Leben immerhin schwieriger gemacht. Sämtliche Lizenzen wurden entzogen und Beweisdokumente etwa zur Umweltverträglichkeit der Abbaumethoden eingefordert, die bis heute nicht eingereicht worden sind. Die Bürgerkomitees in Chalkidiki kritisieren aber, dass ein Teil der Arbeiten fortgesetzt wurde - etwa der Ausbau der Baustelle oder die weitere Rodung des Waldes. Bis heute gibt es keinen Beschluss zum Abbruch des Projekts. Und dafür gibt es gute juristische Gründe: Es würden saftige Entschädigungszahlungen an Eldorado Gold folgen.

Die Bewegung selbst befand sich zuletzt an einem Tiefpunkt. Dazu führte die staatliche Repression - gegen etwa 350 Menschen laufen Strafverfahren -, aber auch das Vertrauen in SYRIZA. Schließlich schickte Chalkidiki mit Katerina Iglesi zum ersten Mal seit den 70ern eine linke Abgeordnete ins Parlament nach Athen.

Nun scheint es in der Region wieder unruhiger zu werden. Es häufen sich Demonstrationen. Mit Spannung wird ein Aktivistencamp Mitte August erwartet. Das »Beyond Europe Camp« will »AntikapitalistInnen aus verschiedenen Ländern zur Diskussion und Aktion« versammeln. Allein aus Deutschland sollen 100 Teilnehmer kommen.

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