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Vom Holzwrack zum Schatz

Seit 25 Jahren können Touristen in Stockholm die Vasa bestaunen

  • Andrea Tebart
  • Lesedauer: 4 Min.
Seit 25 Jahren gibt es das Vasa-Museum in Stockholm. Eine Ausstellung zeigt derzeit, was in der Welt passierte, als das Schiff noch bei der Jungfernfahrt 1628 unterging.

Sie sollte das mächtigste Kriegsschiff der schwedischen Marine werden. So die Idee von König Gustav II. Adolf. Zunächst ging auch alles gut. Zwei Jahre bauten Schweden, Finnen und Holländer auf der Werft. Tausende polnische und schwedische Eichenstämme wurden herangeschafft, Hunderte Skulpturen geschnitzt und 64 Kanonen installiert. Zwischendurch kam der König höchstpersönlich vorbei, um den Fortschritt zu begutachten. Und dann war es soweit.

Zwar war Gustav Adolf gerade im Preußen des Dreißigjährigen Kriegs unterwegs, als die Vasa am 10. August 1628 auf ihre erste Fahrt ging. Die Besatzung hatte für dieses Ereignis die Genehmigung erhalten, Gäste mit an Bord zu nehmen. Ihre Frauen und Kinder sollten die geplante Triumphfahrt durch den Stockholmer Schärengarten hautnah erleben.

Überforderte Konstrukteure

Die Frage aller Fragen konnte bis jetzt nicht eindeutig geklärt werden: Warum ist die Vasa gesunken? Es gibt verschiedene Gründe. Ein modernes Schiff wird heute berechnet. Im 17. Jahrhundert war das anders. Abmessungstabellen wurden verwandt, die sich in der Praxis bewährt hatten. Aber alte Dokumente besagen, dass die Vasa-Pläne noch dann geändert wurden, als die Arbeiten am Schiff bereits begonnen hatten.

König Gustav II. Adolf wollte viele Kanonen an Bord haben. Die Abmessungen waren für diese Last nicht geeignet und die Konstrukteure überfordert. Das Schiff hat einen hohen Aufbau mit zwei Kanonendecks. Als Gegengewicht wurden im unteren Teil der Vasa schwere Steine gelagert, aber der Ballast von 120 Tonnen reichte nicht aus, um das Kriegsschiff stabil im Wasser zu halten.

Da schwedische und niederländische Zimmerleute gemeinsam an der Vasa gebaut haben, kam es außerdem zu unterschiedlichen Berechnungen. Mit Folgen für die Symmetrie. Und der Kapitän hat selbst noch einen Fehler beim Start des Schiffes gemacht. Er ließ die unteren Kanonenluken nicht schließen. Eine leichte Windböe reichte dann aus, um das Schiff in Schieflage zu bringen. at

An diesem Tag erstrahlte die Vasa in all ihrer hölzernen Pracht. Ganz Stockholm war auf den Beinen, als mit einem Salutschuss unter den Jubelschreien der Bevölkerung die Jungfernfahrt begann. Doch genau 1300 Meter weiter erfasste eine Windböe das Schiff, es kippte und sank zum Entsetzen aller, die den Untergang live anschauen mussten. Nach nur 20 Minuten Fahrtzeit. Von den geschätzten 150 Menschen an Bord kamen damals vermutlich 30 ums Leben.

Genau 333 Jahre lag das Holzschiff in 32 Meter Tiefe am Meeresgrund, bis es etappenweise wieder ans Tageslicht gehievt wurde. Im April 1961 war es soweit. Das schwedische Fernsehen berichtete erstmals live für andere europäische Sender, als ein Stück 17. Jahrhundert in die Gegenwart transportiert wurde. Etwas angeschlagen, aber für ihr Alter dennoch erstaunlich gut erhalten.

Dass die Vasa überhaupt entdeckt und gehoben werden konnte, ist der Initiative Anders Franzéns zu verdanken. Voller Optimismus hatte der Marinehistoriker nach dem Wrack geforscht. Jahrelang und in mühevoller Kleinarbeit, denn er war davon überzeugt, dass die Qualität des Hafenwassers dem Erhalt der Vasa geholfen haben musste. Der Schiffsbohrwurm (Teredo navalis), der normalerweise Holzwracks in Salzgewässern systematisch auffrisst, hält sich nicht im Brackwasser der Ostsee auf. Zum Glück. In der Nordsee hätte die Vasa überhaupt keine Chance gehabt. Anders Franzén fuhr regelmäßig mit einem kleinen Boot den Hafen von Stockholm ab. Immer ein Senkblei in der Hand. 1956 entdeckte er darin Holz. Nur einen Tauchgang später war klar: er hatte das Wrack gefunden.

Seitdem ist viel passiert, um das Schiff zu retten, denn das Wrack der Vasa vereinigt mehrere Superlative. Als einziges Exemplar seiner Zeit ist es ein beeindruckendes Kunstwerk, das im eigenen Museum steht, und ein Touristenmagnet. Das Holzschiff ist die meistbesuchte skandinavische Attraktion schlechthin. Bislang warfen 35 Millionen Besucher einen Blick darauf. Kein Wunder, die Kriegsschiffe des 17. Jahrhunderts waren nicht nur bloße Kampfmaschinen, sondern auch schwimmende Paläste. Das riesengroße Puzzle, das 1961 aus dem Hafenbecken heraufgeholt wurde, steht jetzt in vollem Glanz auf der Halbinsel Djugården, mitten in Stockholm.

Erstaunliche 95 Prozent der Originalteile sind erhalten geblieben. Geschnitzte Gesichter und Löwenköpfe sollten einst Schwedens Feinde in die Flucht schlagen. Heute geben die 700 geborgenen Skulpturen Auskunft darüber, wie das Schiff wohl wirklich ausgesehen haben mag.

Was sich wie ein Märchen aus dem 17. Jahrhundert anhört, wird zu einer physikalisch-chemischen Herausforderung. Denn die Vasa hat diverse Probleme und die Restauratoren eigentlich eine Lebensaufgabe. Noch auf dem Meeresboden hatten sich große Mengen Schwefel gebildet, die in das Holz eingedrungen sind. Damit das Wrack nicht reißt oder schrumpft, wurde es nach der Bergung 17 Jahre mit dem Kunstwachs Polyethylenglykol imprägniert. 1988 trat die Vasa dann ihre letzte Reise auf dem Wasser an. Von der provisorischen Werft hin zum neuen Museum, das Carl XVI. Gustav vor 25 Jahren eingeweiht hat.

Das Schiff wird nicht ewig »leben«, sind sich Experten einig. Aber sie wollen die Vasa für mindestens 1000 weitere Jahre der Nachwelt erhalten. Die Konservierung des Schiffs hat sich zu einer Pionierarbeit entwickelt. »Aber eigentlich«, so Chefkonservator Magnus Olofsen, »müsste das Schiff auf Jahrzehnte weggesperrt werden. Ohne Sauerstoff, in Dunkelheit und bei extremen Minustemperaturen«.

Doch das große Besucherinteresse spricht dagegen. Also musste ein Kompromiss her. Dazu gehört eine streng geregelte Klimaanlage, niedrige Raumtemperaturen und möglichst wenig Beleuchtung, denn die Vasa verträgt kein ultraviolettes Licht.

Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen schreiten die Abbauprozesse im Inneren des Holzes voran. Ursache sind jene Eisenbolzen, die für die Bergung des Schiffes in das Holz gerammt worden sind. Die sind inzwischen gerostet und haben das Eichenholz schwarz gefärbt. Nun werden die Eisenbolzen durch 5000 rostfreie Stahlbolzen ersetzt. Dank ihrer Metallfedern sollen die neuen Stifte flexibel auf Bewegungen im Holz reagieren.

Nach dem Austausch der ersten 1000 Bolzen sind die Konservatoren optimistisch. 2017 wollen die Experten damit fertig sein. Ingenieur Anders Ahlgren ist sich sicher: »Die Bolzen halten die Schiffshülle zusammen, ohne sie zu beschädigen und das erfreut uns alle sehr.«

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