Wohlhabende Gemeinden können sich freuen

Die kommunale Zuständigkeit für Wohngeldzuschüsse verstärkt Kluft zwischen armen und reichen Städten

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.
Auf 49 Milliarden Euro beliefen sich 2014 die Kassenkredite der Kommunen. Die Hälfte dieser Schulden entfiel auf lediglich 25 Gemeinden.

Hat man Glück, und die Autobahn 3 ist frei, kann man in unter drei Stunden vom Eichstätt nach Offenbach am Main kommen. Doch zwischen den beiden Städten liegen Welten. In der oberbayerischen Kreisstadt ist Arbeitslosigkeit quasi ein Fremdwort, während die Nachbarstadt Frankfurts immer mehr in die Schuldenfalle gerät - unter anderem auch, weil sie per Gesetz die Wohnkosten für ihre Hartz-IV-Bezieher übernehmen muss.

Während Eichstätt nämlich seinen Bürgern bei der Miete im Durchschnitt mit lediglich 16 Euro unter die Arme greifen muss, sind es in Offenbach 388 Euro, wie eine Studie zur kommunalen Finanzlage zeigt, die die Bertelsmann-Stiftung am Freitag veröffentlicht hat. Und diese beiden bundesweiten Extreme bei den Sozialausgaben haben Folgen für die Perspektiven der beiden Städte: Während Eichstätt so gut wie schuldenfrei ist und kräftig in seine Infrastruktur investieren kann, findet sich Offenbach mit einer kommunalen Pro-Kopf-Verschuldung von 8126 Euro je Einwohner unter den am höchsten verschuldeten Städte wieder.

Dabei ist die Finanzlage der Kommunen hierzulande derzeit eigentlich recht entspannt. 2014 erzielten sie zusammen ein Plus von 240 Millionen Euro. In den letzten drei Jahren belief sich der Überschuss zusammengerechnet sogar auf 4,6 Milliarden Euro. Doch von dieser guten Haushaltslage profitierten bei Weitem nicht alle Städte, Gemeinden und Kreise in Deutschland. Ein Viertel von ihnen blieb auf der Strecke und rutschte weiter in die Schuldenfalle ab.

Diese klammen Gemeinden sind immer mehr auf sogenannte Kassenkredite angewiesen. Diese Kredite sollen eigentlich nur bei kurzfristigen Liquiditätsengpässen über die Runden helfen - ähnlich wie Dispokredite bei Privatpersonen. Doch werden die Kassenkredite immer mehr. Sie stiegen laut der Studie im Verlauf der Wirtschaftskrise von 30 Millionen Euro 2008 auf 49 Milliarden Euro im Jahr 2014 an. Die Hälfte aller Kassenkredite verteilten sich dabei auf lediglich 25 Städte. Keiner einzigen von ihnen gelang es seit 2008 aus eigener Kraft, diese Verbindlichkeiten abzubauen.

Der Grund für die zunehmende Verschuldung finanzschwacher Kommunen liegt laut den Forschern vor allem in der Sozialgesetzgebung. Die Städte und Gemeinden müssen die Wohnkosten der Hartz-IV-Bezieher übernehmen. Im Jahr 2014 beliefen sich diese Ausgaben auf rund 11,6 Milliarden Euro, wobei vor allem diejenigen Gemeinden besonders viel zahlen müssen, die lediglich geringe Einnahmen zur Verfügung haben. So liegen die zehn am höchsten belasteten Kommunen in Sachen Steuerkraft durchgängig weit unter dem Durchschnitt. »Ein Abbau der Ausgaben ist kaum möglich«, schreiben die Autoren der Studie. Die Strukturen der Ausgaben, die Bevorteilung starker und Benachteiligung schwacher Kommunen, bestünden dauerhaft.

Zwar ist die Verschuldung über Kassenkredite vor allem ein Problem in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Hessen. Doch ist das Steueraufkommen der ostdeutschen Gemeinden durch die Bank weg geringer als im Westen. Im Schnitt erhielten diese pro Kopf weniger als 60 Prozent des bundesweiten Niveaus. Bis jetzt wurde diese besondere Schwäche durch den Solidarpakt zumindest teilweise ausgeglichen. Doch der läuft mit der Neugestaltung des Länderfinanzausgleichs 2020 aus. »Die Handlungsfähigkeit der ostdeutschen Kommunen ist vor diesem Hintergrund akut gefährdet«, schreiben die Forscher.

Der stellvertretende Vorsitzende der LINKEN, Axel Troost, sieht sich durch die Studie in seinen Forderungen bestätigt. »Alle reden immer vom Länderfinanzausgleich, aber bedenken nicht, dass es vor allem einen Ausgleich bei den Kommunalfinanzen geben muss«, so der Finanzexperte. Ausgaben wegen Altersarmut und Hartz IV müssten bei diesem Ausgleich einberechnet werden. Doch dass dieser 2020 auch wirklich kommt, da ist Troost nicht sonderlich optimistisch. »Deswegen werden die Probleme bestehen bleiben«, meint der Politiker.

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