Zeit der Zäune
Olaf Standke über Zeichen einer zutiefst zynischen Politik
»Something there is that doesn’t love a wall.« Das hier beschriebene tief sitzende Unbehagen des Menschen an Mauern gehört zu den berühmtesten Versen von Robert Frost, einem der großen Poeten des 20. Jahrhunderts. So mancher seiner Landleute glaubt, sie seien nach dem Bau der »Berliner Mauer« geschrieben geworden, doch sind sie über 100 Jahre alt - und hochaktuell. Wir leben in einer Zeit der Zäune, die massenhaft Menschen ein- und aussperren. 1126 Kilometer lang ist der zwischen Frosts Heimat USA und Mexiko, für den populären Präsidentschaftskandidaten Donald Trump nicht lang genug. Kaum eine Grenzbefestigung ist so hoch wie die israelische zum Westjordanland, keine hochgerüstet wie jene auf der Koreanischen Halbinsel, die gerade wieder am Rand des Krieges stand.
Und mehr denn je kommen neue hinzu. Estland etwa will sich gegen den Nachbarn Russland schützen, Ungarn geschundene Flüchtlinge abwehren. So unterschiedlich Grund und Ausformung diese Zäune sein mögen - auch wenn man sich temporäre Befriedung erkaufen mag, ihr Preis ist sehr hoch, vor allem an Menschenleben. Und wirklich gelöst wird letztlich kein Konflikt. Das Flüchtlingsdrama etwa verschärft sich durch die Abschottung Europas zu Wasser und zu Lande nur noch weiter. Zäune sind hier ein Zeichen zutiefst zynischer Politik.
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