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Immer weiter, immer schneller

Christoph Ruf fragt, warum ausgerechnet im Fußball andere Gesetzmäßigkeiten als im Rest der Welt gelten sollen

Der Fußball funktioniert nach den gleichen Gesetzmäßigkeiten wie der Rest der Welt. Deshalb ist es ein wenig blauäugig, sich über die Ablösesummen aufzuregen, die in den vergangenen Tagen gezahlt wurden.

Sind 75 Millionen Euro Ablöse für Kevin de Bruyne gerechtfertigt, sind es 30 Millionen für Julian Draxler? Schon die Frage ist irreführend. Denn natürlich ist der gesamte europäische Spitzenfußball im Grunde obszön. Im nationalen Maßstab und im internationalen sowieso.

Ein Beispiel? In der vergangenen Spielzeit haben die deutschen Erstligisten die aberwitzige Summe von mehr als 100 Millionen Euro für Spielerberater-Provisionen ausgegeben, das entspricht etwa 8,3 Millionen Stehplatztickets à 12 Euro. Spielerberater – Fußball-Nostalgikern sei das erklärt – hat man sich als eine Art Immobilien-Makler für Sportler vorzustellen. Es gibt welche, die kümmern sich um ihre Klienten auch dann noch, wenn sie in eine Lebenskrise rutschen oder nicht mehr ganz so große Summen mit ihnen zu verdienen sind. Es gibt aber auch welche, die einfach Millionen damit verdienen, dass sie einen 22-Jährigen unter Vertrag haben, den sie irgendwann als 13-Jährigen, an einem verregneten Samstag Nachmittag an der Sporthochschule Duisburg-Wedau als erste angelabert haben.

Noch ein Beispiel? Nicht nur beim SSC Neapel oder bei Olympique Marseille gibt es Fans, die auch dann ihren letzten Euro in eine Dauerkarte für ihren Club stecken würden, wenn sie dafür in eine kleinere Wohnung ziehen müssten. Die jeweiligen Spieler sollen trotzdem ganz ordentliche Behausungen haben, hört man.

Andererseits, warum sollte jetzt ausgerechnet der Fußball nach anderen Gesetzmäßigkeiten funktionieren als der Rest der Welt? Natürlich hat ein Verein, der 75 Millionen Euro für einen einzigen Spieler einnimmt, damit ganz andere Möglichkeiten als ein Team aus dem Tabellenkeller, das wiederum – den Fernsehgeldern sei Dank – um Lichtjahre von einem Drittligisten entfernt ist, der ebenfalls samstags von Oberbayern nach Mecklenburg-Vorpommern fahren muss, um seine Pflichtspiele zu absolvieren. Anders gesagt: Die Schere geht auseinander. Immer weiter, immer schneller.

Kommt Ihnen bekannt vor? Ooops, da interessiert sich wohl jemand nicht nur für Fußball...

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