Peking demonstriert Stärke

Parade auf dem Tiananmen zum 70. Jahrestag des Sieges im Zweiten Weltkrieg nicht nur mit militärischer Botschaft

  • Werner Birnstiel
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Parade der Streitkräfte auf dem Tiananmen-Platz in Peking ist eine der wichtigsten überhaupt in der 66-jährigen Geschichte der Volksrepublik. Sie will mehr als nur militärische Stärke demonstrieren.

Über dem Platz am Tor des Himmlischen Friedens, dem Tiananmen im Herzen der chinesischen Hauptstadt ist für gut zwei Wochen strahlend blauer Himmel erwünscht und gesichert. Alles soll passen. Seit Anfang Juni wurde im Süden Pekings für die Parade trainiert. Auch über Veranstaltungen der Leichtathletik-Weltmeisterschaft strahlte seit dem 22. August bis zur Gedenkparade am heutigen Donnerstag die Sonne. Deutlich weniger Schadstoffe verdunkelten die Luft, weil radikal der Verkehr eingeschränkt und Fabriken heruntergefahren wurden.

Historischer Anlass ist der 70. Jahrestag des »Sieges im antifaschistischen II. Weltkrieg und im antijapanischen Widerstandskrieg«. Der endete am 2. September 1945 in der Bucht von Tokio. Auf dem dem Schlachtschiff USS Missouri unterzeichnete Japan die Kapitulation. Sieben Jahrzehnte und einen Tag später war auf dem Tiananmen die Parade von 70 Minuten angesetzt, bei der über den Platz 12 000 Soldaten aller Waffengattungen paradieren und 40 verschiedene Arten technischer Ausrüstung anhand von 500 Mustern gezeigt werden sollten. 200 Flugzeuge 20 unterschiedlicher Typen standen bei der Luftparade auf dem Programm und in allen Bereichen die Präsentation neuer Bewaffnungen - zu 84 Prozent in China produziert. 17 ausländische Ehrenformationen waren zur Teilnahme an der Gedenkparade eingeladen.

Politisch herausragend an der Siegesfeier ist die Teilnahme des russischen Präsidenten Putin und der Präsidentin Südkoreas, Park Geun-hye sowie von UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon sowie andererseits das Fehlen hochrangiger westlicher Repräsentanten. Doch Chinas Führung will gerade mit der Siegesparade weltweit zeigen, dass die Volksrepublik über eine militärische Stärke verfüge, die nicht zu bezwingen sei - dies insbesondere nach der »Schmach der halbkolonialen Unterdrückung« seit 1840 und der japanischen Aggression und Kolonialherrschaft vor allem nach 1931 bis 1945.

Sicherheitspolitisch sieht sich das Reich der Mitte gerüstet, als inzwischen zweitstärkste Volkswirtschaft der Welt ohne Furcht vor äußerer militärischer Bedrohung seinen Weg gehen zu können. Auf der Tagesordnung steht, das jahrelang überhitzte Wirtschaftswachstum so herunterzufahren, dass qualitatives Wachstum zunehmend dominiert und tatsächlich bedarfsgerecht »innovationsgetrieben« produziert wird.

Der Weg dorthin ist jedoch wesentlich länger als viele Chinesen, die sich an den bisherigen Wachstumsrausch gewohnt haben, wahrhaben wollen. In Gesprächen betrachten vor allem Geschäftsleute die Turbulenzen an Chinas Börsen, die Abwertung des Yuan, strukturelle Defizite im Wirtschaftsgefüge, die soziale Kluft zwischen Arm und Reich sowie gravierende Umweltprobleme zwar sehr kritisch, nennen sie aber entwicklungsbedingt und verkraftbar. Die »Makrosteuerung« sei zu optimieren, der gemeinsame Wohlstand zu fördern» und «Defekte des Marktes» müssten ausgeglichen werden.

Die Gedenkfeier selbst soll auch auf jene gewaltigen Veränderungen verweisen, die sich gerade auch im ökonomischen Machtgefüge in Ost- und Südostasien seit den 1990er Jahren vollzogen haben. So orientieren sich die meisten Staaten der Region in ihren Wirtschaftsbeziehungen heute stärker auf China als auf Japan und die USA. China baut seine Finanzmacht aus, indem es riesige Kredite für Infrastrukturprojekte vergibt. Die Internationalisierung des Yuan wird vorangetrieben, immer mehr Handels- und Investitionsgeschäfte werden in dieser Währung abgewickelt.

Mit der «Seidenstraßen-Strategie» eines Wirtschaftskorridors durch Westchina und Zentralasien bis Europa, der Gründung der «Asiatischen Infrastruktur Investmentbank» und neuen Vorschlägen zur Modernisierung des Handels baut Peking seinen Einfluss in Ostasien und bis nach Zentral- und Mittelasien systematisch aus. Beteuert wird, dass die eigene Entwicklung anderen Ländern nicht als politisch-ökonomisches «Modell» aufgedrängt werde. Die USA und Japan setzten derzeit in Ost- und Südostasien aber auf Sicherheit voreinander, statt auf die von China beworbene Sicherheit miteinander.

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