Etappensieg für Chevron-Kritiker

Kanadisches Gericht lässt Schadenersatzklage wegen Zerstörungen in Ecuador zu

  • Jürgen Vogt
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit über 20 Jahren klagen Dorfbewohner aus Ecuador wegen Umweltzerstörungen auf Schadenersatz vom Ölmulti Chevron.

Aufatmen in Ecuador, Schlappe für Chevron: Der Oberste Gerichtshof Kanadas hat entschieden, dass Indigene und Kleinbauern aus dem lateinamerikanischen Land vor einem kanadischen Regionalgericht den US-Ölmulti auf Schadenersatz verklagen dürfen. Damit könnte der Weg frei sein, dort Vermögenswerte von Chevron zur Begleichung einer Entschädigungssumme in Höhe von 9,5 Milliarden Dollar heranzuziehen. Die Richter in Ontario bestätigten Chevrons Verantwortung für gravierende Umweltschäden bei der Ausbeutung von Ölvorkommen in Ecuador. Wasserverschmutzungen sollen die Gesundheit der Bewohner beeinträchtigt haben.

Für Pablo Fajardo, Anwalt der klagenden Indigenen und Kleinbauern, weist das Urteil in die richtige Richtung: »In einer globalisierten Welt haben die Gerichte die Plicht, die Vollstreckung von Strafen zu ermöglichen«, erklärte er. Humberto Piaguaje von der Vereinigung der Texaco-Betroffenen (UDAPT) freute sich: »Nach 22 Jahren können wir das Urteil gegen Chevron umsetzen und mit der Sanierung unseres Territoriums beginnen.« Die Richter hätten sich von der millionenschweren Kampagne Chevrons nicht einschüchtern lassen, so Piaguaje. Das Vermögen des Ölkonzerns in Kanada wird auf 15 Millionen Dollar geschätzt.

Das juristische Tauziehen hatte 1993 mit einer Klage von 76 Betroffenen vor einem New Yorker Gericht begonnen. Ein vom US-Ölkonzern Texaco geführtes Konsortium hatte von 1964 bis 1990 in dem Gebiet Öl gefördert. 1992 verließ die Firma das Land. Im Jahr 2001, als Texaco von der Chevron Corporation übernommen wurde, die seither für die ecuadorianische Justiz in der Verantwortung steht, erklärte sich das New Yorker Gericht für nicht zuständig. Daraufhin reichten zunächst 48 Betroffene eine gemeinsame Klage bei einem Gericht in der Region Sucumbíos ein, die am stärksten von Umweltzerstörungen betroffen war. Bei Prozessbeginn lag Richter Nicolás Zambrano sogar eine Sammelklage von rund 30 000 Personen vor.

Im Februar 2011 sprach er Chevron schuldig und verurteilte den Ölmulti zu einem Schadenersatz von 19 Milliarden Dollar. Später bestätigte der Oberste Gerichtshof Ecuadors das Urteil, reduzierte aber die Strafe auf 9,5 Milliarden Dollar. Weil Chevron in Ecuador keine Vermögenswerte besitzt, klagten die Anwälte der Dorfbewohner in verschiedenen Ländern. Während ein Bundesgericht in New York im März 2014 urteilte, dass Chevron die Strafe nicht bezahlen müsse, gab es in Kanada nun ein gegensätzliches Urteil.

Der US-Multi gibt sich uneinsichtig und spricht von einem »krassen Beispiel für die politische Schieflage und die Korruptheit der ecuadorianischen Justiz«. Nach seiner Auffassung ist die Angelegenheit seit einer 40 Millionen Dollar teuren Säuberungsaktion im Jahr 1998 erledigt. Laut Chevron-Berater James Craig haben die kanadischen Richter lediglich die Zuständigkeit anerkannt: »Die Entscheidung sagt nichts aus über die Rechtmäßigkeit oder die Gültigkeit des betrügerischen ecuadorianischen Richterspruchs.«

Ob das Urteil tatsächlich zum Eintreiben der Geldstrafe führt, bleibt abzuwarten. Bereits Ende 2012 wurden in Argentinien Vermögenswerte von Chevron im Umfang von rund zwei Milliarden Dollar beschlagnahmt, dann aber wieder freigegeben. Der Konzern ist der wichtigste Partner der staatlichen argentinischen Ölgesellschaft YPF.

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