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Leichte Entspannung in der Kurdenstadt Cizre

Türkische Regierung hob Ausgangssperre auf

  • Lesedauer: 2 Min.
Die meist kurdischen Bürger Cizres dürfen wieder telefonieren und auf die Straße gehen. Doch der Konflikt im türkischen Kurdengebiet ist nicht gebannt.

Istanbul. Nach fast neun Tagen hat die türkische Regierung am Samstag die Ausgangssperre über die kurdische Stadt Cizre aufgehoben. Die 120 000 Einwohner konnten sich wieder frei bewegen. Allerdings wurde die in Deutschland aufgewachsene Bürgermeisterin Leyla Imret vom Innenministerium ihres Postens enthoben. Der 28-Jährigen wird dem Lokalsender IMC zufolge Propaganda für eine Terrororganisation vorgeworfen. Gemeint ist die verbotene Kurdische Arbeiterpartei PKK.

Das Ausgehverbot über die südosttürkische Stadt war nach gewaltsamen Zusammenstößen türkischer Sicherheitskräfte mit Untergrundkämpfern der PKK verhängt worden. Imret ist Mitglied der prokurdischen Partei HDP, die in Cizre bei der Parlamentswahl 90 Prozent der Stimmen gewonnen hatte. Ihr Vater war als PKK-Kämpfer 1992 bei einem Zusammenstoß mit türkischen Sicherheitskräften vor ihren Augen getötet worden. Anschließend war Imret in Deutschland aufgewachsen; heute steht sie für die kurdische Nationalbewegung. Die HDP hatte in der vergangenen Woche einen Friedensmarsch zur Stadt Cizre organisiert, der vom Militär gestoppt wurde. Laut der Partei sind im Verlauf der Woche dort mehr als 20 Zivilisten getötet worden.

Die PKK hatte 1984 einen bewaffneten Kampf für Unabhängigkeit der Kurden aufgenommen. Ein zwei Jahre andauernder Waffenstillstand war im Juli aufgekündigt worden. Seitdem hat sich der Konflikt wieder verschärft; fast täglich gibt es tödliche Anschläge und Gefechte. Die Krise belastet den Wahlkampf zur Parlamentswahl am 1. November.

Die islamisch-konservative Regierungspartei AKP bestätigte auf einem Wahlparteitag am Samstag den Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu als Parteivorsitzenden. Bei der Parlamentswahl im Juni hatte die AKP ihre Mehrheit verloren, weil die Kurdenpartei HDP erstmals die Hürde von zehn Prozent übersprungen hatte. Nach dem Scheitern von Koalitionsgesprächen wurden Neuwahlen anberaumt, bei denen Davutoglu erneut als Spitzenkandidat der AKP antreten wird.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier mahnte die türkische Regierung am Sonntag zur Mäßigung im PKK-Konflikt. Deutschland habe ein Interesse an einem Gelingen der Wahl und an innerer Stabilität der Türkei, sagte der SPD-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. »Alle zur Wahl stehenden Parteien müssen Gelegenheit haben, sich mit ihren politischen Vorstellungen vor der anstehenden Parlamentswahl zu präsentieren.«

Außerhalb der Stadt Sirnak sowie in der südöstlichen Region Diyarbakir töteten mutmaßliche PKK-Kämpfer am Sonntag nach Angaben von Sicherheitsleuten drei Polizisten. Bei der Verfolgung der Rebellen in Sirnak mit Kampfhubschraubern wurden demnach zwei von ihnen getötet. Agenturen/nd

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