König der Kalauer

Eine Ausstellung in Hannover zeigt, warum Heinz Ehrhardt ein Phänomen war

  • Christina Sticht, Hannover
  • Lesedauer: 3 Min.
In der Nachkriegszeit brachte ein Mann mit Hornbrille die Menschen zum Lachen. 36 Jahre nach seinem Tod gibt es nun eine erste große Ausstellung über den Komiker Heinz Erhardt.

Hannover. Tollpatschig, schelmisch, liebenswert: So erlebten die Menschen im Nachkriegsdeutschland Heinz Erhardt auf der Bühne sowie im Film. Der Humorist mit der Hornbrille und dem schütteren Haar wurde in den 50er und 60er Jahren zum Star. Die Herzen eroberte er nicht nur mit seiner Trottel-Masche, sondern auch mit seinen Versen und Kalauern, die Komiker nach ihm wie zum Beispiel Otto Waalkes inspirierten. Heinz Erhardt philosophierte über die Kuh, die Bienen, den Wurm und über das Nasshorn und das Trockenhorn. Und er gab Tipps für den Alltag: »Bei nasser Straße muss man sechzehn geben - doppelt acht!«

Wie kein Zweiter verkörperte der füllige Unterhaltungskünstler die Zeit des westdeutschen Wirtschaftswunders. Erhardt gab sich als Biedermann, als verklemmter Spießer und überforderter »Witwer mit fünf Töchtern« - so ein Filmtitel aus dem Jahr 1957. Eine Ausstellung im Theatermuseum Hannover mit dem Titel »Heinz Erhardt: Privater!« beleuchtet von diesem Sonntag an die private Seite des musikalischen Entertainers, der 1909 als Sohn eines Kapellmeisters im lettischen Riga geboren wurde und 1979 in seiner Wahlheimat Hamburg starb.

Für die bis zum 7. Februar laufende Ausstellung haben Erhardts vier Kinder die von ihrem Vater selbst angelegten Erinnerungsalben, Briefe, Noten sowie persönliche Gegenstände zur Verfügung gestellt. Die meisten der mehr als 250 Dokumente und Dinge aus dem Nachlass waren noch nie in der Öffentlichkeit zu sehen. Museumschef Carsten Niemann hat die Schau als eine Reise in den Kosmos des Kult-Komikers aus der westdeutschen Nachkriegszeit inszeniert. »Wir wollen das Phänomen Erhardt beschreiben. Er war ein manischer Arbeiter, vielleicht ein von sich selber Getriebener«, sagt Niemann.

Aus dem schwarzen Flügel am Museumseingang tönt die Stimme des Witzemachers, der ein brillanter Pianist war. An der Decke hängen Erhardts Smoking sowie eine Polizeiuniform aus dem Film »Natürlich die Autofahrer« (1959). An den Wänden flimmern Filme und hängen große Fotografien. Die Erläuterungen zu den Ausstellungsstücken wurden stilecht mit einer Schreibmaschine auf Karteikarten getippt.

Erhardts Enkelin Nicola Tyszkiewicz wollte ursprünglich in alten Briefen entdeckte Gedichte ihres Großvaters anlässlich der Ausstellung veröffentlichen. »Das hat zeitlich leider nicht geklappt«, sagt sie. Die Enkelin kümmert sich um das Erbe von Heinz Erhardt. Als Kind hat sie ihn bei zahlreichen Auftritten erlebt. »Mich haben immer die Leute fasziniert, die meinen Großvater so angehimmelt haben. Das war das Spannendste für mich«, erinnert sich die Hamburger Musikproduzentin.

Und Heinz Erhardt fasziniert noch immer: Anfang des Jahres zeigte das NDR Fernsehen eine bisher unbekannte Komödie des Komikers, und 1,7 Millionen Menschen sahen zu. »Er war sehr ernst, sehr auf seine Arbeit fokussiert, ein Eins-A-Workholic, aber er war auch süß. Er hat auch mit uns Enkeln Blödsinn gemacht«, sagt Nicola Tyszkiewicz. Sie freue sich sehr über die erste große Ausstellung zu Ehren ihres Großvaters.

Ende 1971 erlitt Heinz Erhardt einen Schlaganfall. Der Blödel-Star war zunächst halbseitig gelähmt. Er verstand zwar weiterhin alles, konnte aber jahrelang bis zu seinem Tod kein einziges Wort mehr sprechen. Für den Komiker wurde der größte Alptraum wahr: Zu Freunden hatte er vorher einmal gesagt: »Wenn mir - Gott bewahre - etwas zustoßen sollte, und ich zum Beispiel nicht mehr gehen kann, dann müsst ihr mich eben auf die Bühne tragen. Solange ich nur sprechen kann, werde ich es schaffen, das Publikum zum Lachen zu bringen.« dpa/nd

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