Ohne doppelten Blut-und-Boden

Ein historisches Frankenderby - fast ohne Franken. Hat aber nicht gestört

Am Sonntag fand das 159. Derby zwischen Fürth und Nürnberg stand. Wer dabei war wird noch seinen Ur-Ur-Urenkeln davon erzählen. Und das, obwohl nur zwei Franken auf dem Platz standen. Wie das nun wieder?

Man sollte sich unbedingt davor hüten, den Fußball zu überhöhen. Nur so ist er überhaupt erträglich. Deswegen gibt es auch kaum jämmerlichere Lappen als die Reporter, die zur vermeintlichen Aufpeppung eines Langweilers, der von einem Einwechselspieler entscheiden wurde, behaupten, »solche Geschichten« schreibe »nur der Fußball«. Und auch sozialere Menschen, die aus dem Zusammenleben im kleinen Fußball eines für die große Welt ableiten wollen, sind auf einer ganz abschüssigen Bahn. Fußball ist Fußball. Und der Sinn des Lebens ist 42. Beides hat nicht das Geringste miteinander zu tun.

Schlimmer als die Sinnsuche im Banalen ist nur das Gelaber von der Identifikation, gerne auch mal völkisch aufgeladen. Ein Düsseldorfer spiele nun mal anders gegen Köln als ein Hamburger (gemeint ist: als ein Asiate), heißt es dann.

Nur komisch, dass der Ur-Düsseldorfer Mike Büskens der wohl fanatischste Schalker ohne Kutte ist, der in Belo Horizonte geborene Dede die Dortmunder Identifikationsfigur schlechthin. Und der Argentinier Pinola der Spieler, der allen FCN-Fans neben dem Slowaken Marek Mintal als erster einfallen würde, wenn sie nach echten »Clubberern« gefragt würden. Abgesehen von Raphael Schäfer und Andreas Wolf natürlich, die in Tadschikistan und Kędzierzyn-Koźle geboren sind. Alle vier haben mutmaßlich nächtelang ihre Kissen zerbissen, wenn sie ein Derby gegen Fürth verloren haben.

Genau das stand übrigens am Wochenende wieder an. Und siehe da: Auch alle Spieler, die in Kroatien, Niedersachsen, Albanien oder Oberbayern geboren sind, rannten, grätschten und foulten von Anpfiff weg, dass es eine wahre Freude war. Umkämpfter, feuriger und packender kann auch ein Derby in den Dreißiger Jahren nicht gewesen sein. In jenen Zeiten also, in denen bei Derbys zwischen Rot Weiß Essen und Schalke auf dem Platz noch westfälisch und in denen zwischen Fürth und Nürnberg noch fränkisch gesprochen wurde.

Eine mögliche Erklärung: Fußballspieler sind auch nur Menschen. Ihre Fehlpassquote steigt, wenn 50.000 Gestörte pfeifen, ihr Adrenalinspiegel tut es, wenn die gleichen Gestörten sich über ein Tor freuen. Und sie merkten am Sonntag ganz genau, dass die Leute, die an diesem Tag das Stadion voll machen, nicht gekommen sind, weil die Nachmittagsvorstellung im Kino ausgefallen ist.

Nach dem 3:2-Derbysieg der Fürther hissten deren Fans ein Plakat, das die Dinge auf den Punkt brachte. »Derbysiege sind Monster«, stand darauf. Das ist so einfach und so wahr, das versteht jeder Fußballspieler. Und sogar so mancher Sportjournalist. Ganz ohne Netz und doppelten Blut-und-Boden.

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