600 Seiten gegen drei Banker

In Leipzig beginnt am Mittwoch ein Prozess gegen drei frühere Landesbankmanager

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
2007 wäre die Sächsische Landesbank beinahe kollabiert. Bis heute zahlt das Land die Zeche. Doch bisher ging die juristische Aufarbeitung sehr glimpflich ab. Nun beginnt ein weiteres Verfahren.

Es ist nun schon bald zehn Jahre her, dass die vom US-amerikanischen Hypothekenmarkt ausgehende Weltfinanzkrise grassierte, dass noch kurz zuvor hochmütige Bankdirektoren um eine zumindest zeitweise Verstaatlichung nachsuchten und kurzzeitig sogar die Meinungsführerschaft des wirtschafts- und sozialpolitischen Neoliberalismus ins Wanken zu geraten schien. Und wenn die Pleite des New Yorker Investmenthauses Lehman Brothers im September 2008 das Symbol und der Katalysator dieser Krise war, ist der Notverkauf der Sächsischen Landesbank rund ein Jahr zuvor im Rückblick wohl als erster Vorbote derselben zu werten.

Denn auch die Sachsen-Banker hatten - über ihre irische Tochtergesellschaft »Sachsen LB Europe« und andere Konstrukte offensichtlich hochgradig riskante Verbriefungsgeschäfte mit amerikanischen Hypothekenmarktkrediten, betrieben - wenn auch seitens der Bank Wert darauf gelegt wurde, dass es sich im engeren Sinn nicht um sogenannte Subprime-Produkte gehandelt habe. Einen Crash der Landesbank, die den Freistaat als letztlich haftende Instanz vor immense finanzielle Risiken gestellt hätte, konnte nur durch einen hastigen Notverkauf an die Landesbank Baden-Württembergs vereitelt werden.

Doch auch so ist die Fast-Pleite seiner Landesbank immer noch ein Thema für den Freistaat. Er bürgt mit 2,75 Milliarden Euro für die Risiken. Quartalsweise teilt das Finanzministerium in Dresden mit, wie viele Millionen wieder an die LBBW gezahlt wurden. Inzwischen sind es rund 1,34 Milliarden Euro. Nach Darstellung von Sachsens oppositioneller Linkspartei beschneiden die Spätfolgen des Desasters den »Spielraum« des Landes »bis 2019 um weitere 100 Millionen Euro pro Jahr«. Und bis heute beharrt die Opposition darauf, dass die damals schwarz-rote Landesregierung für das Desaster politisch verantwortlich zu machen sei. Weil der Verkauf seinerzeit bei Nacht und nebel am Landtag vorbei durchgezogen wurde, musste im September 2007 der CDU-Finanzminister Horst Metz seinen Hut nehmen.

Kommende Woche, rund acht Jahre nach der Beinahe-Katastrophe, soll nun ein neues Kapitel der juristischen Aufarbeitung derselben aufgeschlagen werden: Ab Mittwoch stehen in dem Zusammenhang drei frühere Vorstände der Landesbank vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft Leipzig wirft den inzwischen 75, 60 und 58 Jahre alten Ex-Vorständen Untreue und unrichtiger Darstellungen in den Bankbilanzen vor.

Die strafrechtliche Aufarbeitung des Debakels hat am Landgericht Leipzig drei verschiedene Strafkammern beschäftigt. Neben dem Untreueverfahren gegen die drei Manager ist noch weiteres gegen einen anderen Ex-Vorstand anhängig.

Bisher hat sich Justizia hinsichtlich des damaligen Geschehens aber nicht als besonders streng erwiesen. Der erste Prozess in dem Zusammenhang war bereits im März dieses Jahres gegen den früheren Vizechef der Landesbank, Hans-Jürgen Klumpp, eröffnet worden. Ihm hatten die Staatsanwälte falsche Angaben in der Bankbilanz für 2004 vorgehalten: Haftungsrisiken für über Irland abgewickelte Geschäfte seien in der Bilanz gar nicht und in einem Anhang nur unzureichend aufgeführt worden. Das Verfahren, das zunächst mit der Aussicht auf zwei Dutzend Verhandlungstage bis ins Frühjahr 2016 hinein eingeläutet worden war, ging inzwischen jedoch überaus glimpflich aus und wurde gegen die Zahlung von 25 000 Euro Geldauflage eingestellt.

Auch zwei weitere Ex-Manager der Landesbank sind einer juristischen Würdigung ihrer damaligen Praktiken bereits entkommen - auch wegen eines etwas seltsam anmutenden Formfehlers. Nachdem das Landgericht Leipzig einen Prozess gegen die beiden nicht zulassen wollte, hatte die Staatsanwaltschaft zwar Widerspruch eingelegt, das entsprechende Schreiben aber wohl nicht handschriftlich gezeichnet.

Auch das jetzige Verfahren um die fragwürdige Kreditgeschäfte der früheren Nullerjahre sei ungewöhnlich umfangreich, sagte ein Sprecher des Gerichtes gegenüber der dpa. Die 15. Strafkammer hat Verhandlungstermine bis in den Dezember 2016 hinein angesetzt. Die Prozessakten füllen 600 Ordner - und allein die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft umfasst knapp 600 Seiten. Ob es in Wirklichkeit aber ähnlich schnell abgehakt werden wird wie das Verfahren gegen Klumpp, werden die kommenden Monate zeigen.

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