Wo die erste deutsche Dampfmaschine entstand

Das Mansfeld-Museum in Hettstedt begeistert mit seiner Sammlung Technikfans aus nah und fern

  • Harald Lachmann, Hettstedt
  • Lesedauer: 3 Min.
Techniktüftler aus dem Maschinenbaubetrieb des VEB Mansfeld-Kombinat bauten einst die erste deutsche Dampfmaschine nach. Zu sehen ist sie im Hettstedter Mansfeld-Museum.

Es waren bodenständige Techniker und Handwerker aus dem Mansfelder Kupferbergbaurevier, die im Spätsommer 1785 für eine Sensation sorgten: Mit einfachen Mitteln errichteten sie eine Energieanlage, von der man in Deutschland bis dahin nur ungefähr wusste, wie sie aussieht und im Detail funktionieren muss. Doch es klappte - und so arbeitete fortan auch in Deutschland die erste Dampfmaschine Wattscher Bauart.

Dass es ein Nachbau war, für den zuvor ein preußischer Oberbergrat spionierenderweise mehrmals bei James Watt in England weilte, schmälert diesen Verdienst nicht. Immerhin entstanden in dieser Werkstatt in Hettstedt (heute Sachsen-Anhalt) bis 1806 noch neun weitere Dampfmaschinen. Hettstedt lieferte damit auch die Vorbilder für den Dampfmaschinenbau in Westfalen, Sachsen und Oberschlesien. »Die Maschine hatte erhebliche Initialwirkung für den Dampfmaschineneinsatz im deutschen Berg-, Hütten- und Salinenwesen«, erklärt Sebastian Görtz, Geschäftsführer des Vereins Erlebniswelt Museen im Landkreis Mansfeld-Südharz. »Es war ein bedeutender Schritt der Entwicklung des Maschinenbaus.«

Bis 1794 diente diese Anlage zum Abpumpen der Grubenwässer im König-Friedrich-Schacht in Burgörner bei Hettstedt. Dann wurde sie durch eine stärkere ersetzt, arbeitete jedoch weitere 54 Jahre auf einem Steinkohlenschacht in Löbejün bei Halle. Und ganz in Vergessenheit geriet sie im Mansfelder Land nie. Zwei Jahrhunderte später ließen Techniktüftler aus dem Maschinenbaubetrieb des VEB Mansfeld-Kombinat - es hatte seine Wurzeln in jener Werkstatt von 1785 - diese erste Dampfmaschine noch einmal auferstehen: Mit pedantischer Sorgfalt bauten sie die Maschine anhand alter Fertigungsmethoden originalgetreu nach.

Die Einweihung dieses voll funktionsfähigen technischen Denkmals im Jahre 1985 wurde zugleich zur Geburtsstunde des Mansfeld-Museums in Hettstedt. Als Technikmuseum und zugleich Forschungsstätte zur Geschichte des jahrhundertelangen Kupferschieferbergbau und der Kupferverhüttung im Mansfeldischen bezog es Quartier in einem restaurierten Gutshaus, das heute als Humboldtschloss firmiert. Denn Wilhelm von Humboldt lebte hier einige Jahre mit Gattin Caroline. Die Hauptattraktion des Museums bildet fraglos jene nachgebaute Dampfmaschine.

Überhaupt mauserte sich Hettstedt seither zu einem Dorado für Dampfmaschinenfreaks aus Nah und Fern. So steuerte etwa Günter Danzglock aus dem hessischen Bad Wildungen ein ebenfalls voll funktionierendes 1:10-Modell jener Kolben-Wärmekraftmaschine bei. Jährlich veranstaltet inzwischen der Förderverein des Museums Modell-Dampftage, unlängst zum 23. Mal. Hier zeigen Technikbastler der Region die verschiedensten Dampfmaschinen im Miniaturformat. Auch eine alte Dampfeisenbahn wurde stilecht revitalisiert, und auf dem Museumsgelände schnauft eine ebenfalls recht spektakuläre Lokomobile. Diese Dampfmaschinenanlage - Feuerung, Dampfkessel, Steuerung und Antriebseinheit sind auf einer gemeinsamen Plattform montiert - sei 1952 entstanden und heute die einzige ihrer Art in Sachsen-Anhalt, erläutert Vereinsmitglied Volker Schimpf.

Bereits 100 Jahre nach Inbetriebnahme der Dampfmaschine von 1785 war dieses Ereignis der Region übrigens eine große Feier wert. Auf Initiative des noch jungen Verbandes deutscher Ingenieure (VDI) erinnert zudem ab 1890 ein Monument auf einem Hügel bei Hettstedt an diese Pionierleistung.

Jenes Maschinendenkmal - so der offizielle Name - bot erst dieser Tage auch die Kulisse für eine erneute Gedenkfeier. Denn in diesem Jahr häuften sich im Mansfelder Land die Jubiläen: 230 Jahre erste Dampfmaschine, 125 Jahre Maschinendenkmal, 30 Jahre Dampfmaschinennachbau. »Zudem begehen wir in diesen Tagen die 25-jährige Wiederzulassung des Vereins Deutscher Ingenieure in der DDR«, so Dr.-Ing. Bernd Schmidt, Vorsitzender des gastgebenden Halleschen Bezirksvereins. Auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) kam vorgefahren und gestand: »Ich kenne praktisch jedes Dorf in Sachsen-Anhalt, aber von diesem Denkmal hatte ich vorher noch nie gehört…«

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