Verbände kritisieren geplante Änderungen beim Asylrecht

Maßnahmenpaket zur Flüchtlingskrise teilweise heftig umstritten / EU-Kommission moniert Deutschlands Definition »sicherer Herkunftsstaaten«

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Bundesregierung will die Flüchtlingspolitik teilweise neu aufstellen. Sozialverbände und Flüchtlingsorganisationen halten viele der Reformen für kontraproduktiv und fordern Nachbesserungen.

Vor Beginn des Bund-Länder-Gipfels zur Flüchtlingskrise am Donnerstag hagelt es Kritik. Grund ist der Maßnahmenkatalog der Bundesregierung zur Flüchtlingspolitik. Wiebke Judith von Amnesty International verwies am Mittwoch in Berlin auf die geplanten Leistungskürzungen für Asylbewerber. Wer etwa beim Antrag falsche Angaben mache oder in einem anderen EU-Staat als Flüchtling anerkannt sei, der soll nach den Plänen der Bundesregierung keine Sachleistungen wie Taschengeld erhalten. Judith bezweifelte am Mittwoch, dass das Vorhaben mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Schließlich habe das Bundesverfassungsgericht schon 2012 entschieden, dass Geflüchtete »keine Leistungen unterhalb des soziokulturellen Existenzminimums« erhalten dürften, sondern ihnen auch ein gewisses Maß an sozialer Teilhabe ermöglicht werden müsse. Vor allem dürfe dies nicht an die Bleibeperspektive gebunden werden, so Judith. Besorgt zeigte sie sich darüber, »dass Kinder ebenso betroffen wären«.

Harald Löhlein vom Paritätischen Wohlfahrtsverband bezeichnete den Ausschluss bestimmter Asylbewerbergruppen von Sachleistungen als »außerordentlich problematisch«. In Teilen sei das Vorhaben ein »Integrationsverweigerungsgesetz«. Dafür lobte er den geplanten Einstieg der Bundesagentur für Arbeit, die nach den Plänen der Regierung Flüchtlinge früher bei der Stellensuche unterstützen soll. Zugleich drängte er auf einen erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt für Menschen vom Westbalkan. So müssten diese nicht den Asylweg wählen.

Nicht nachvollziehbar für die Verbände ist der Plan, die maximale Aufenthaltsdauer in Erstaufnahmeeinrichtungen von drei auf sechs Monate zu erhöhen. Löhlein sagte, dies bedeute für die Asylbewerber sechs Monate Arbeitsverbot, weil sie in Erstaufnahme-Einrichtungen keine Beschäftigung aufnehmen dürften. Dies stehe in Widerspruch zu den jüngsten Gesetzesänderungen, die das Arbeitsverbot auf drei Monate beschränkten.

Löhlein zeigte sich aber erfreut, dass »Flüchtlinge mit Bleibeperspektive« nun früher als bisher Deutschkurse belegen dürften. Gleichzeitig sei es aber nicht nachvollziehbar, dass Betroffene mit einer Duldung von den Kursen quasi ausgeschlossen seien.

Der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt, appellierte an die Grün regierten Bundesländer, dem Gesetzespaket die Zustimmung zu verweigern. »Hier wird das Asylrecht missbraucht, um migrationspolitische Ziele zu erreichen«, betonte er. Burkhardt konnte zudem nicht nachvollziehen, warum Syrer und Iraker gezwungen würden, in Gemeinschaftsunterkünften zu bleiben, selbst wenn sie bei in Deutschland lebenden Verwandten unterkommen könnten. Der Mitbegründer von Pro Asyl schätzte, dass »10 bis 20 Prozent der Betroffenen« privat unterkommen könnten. Er prophezeite zudem »Spannungen« durch die Kasernierung von Menschen aus vermeintlich sicheren Herkunftsländern.

Hochoffizielle Kritik an der deutschen Asylgesetzgebung kommt nun auch aus Brüssel. Wie am Mittwoch bekannt wurde, hat die EU-Kommission wegen Verstößen gegen die europäische Asylgesetzgebung 40 Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland und 18 weitere Staaten eingeleitet. Nach Berlin versandt wurden zwei Mahnschreiben wegen unzureichender Umsetzung der EU-Asyl-Richtlinie und der Richtlinie zur Aufnahme von Flüchtlingen. »Da rächt es sich, dass das Bundesinnenministerium populistische Spielchen spielt, statt seine Hausaufgaben zu machen«, erklärte der innenpolitische Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion Volker Beck am Mittwoch.

Die EU stört sich an den Voraussetzungen für die Bestimmung »sicherer Herkunftsstaaten«. Diese seien bei Staaten, »in denen Homosexualität kriminalisiert wird, offensichtlich nicht erfüllt«, so Beck. In Deutschland stünden Senegal und Ghana auf der Liste. Verfolgte Schwule und Lesben aus diesen Staaten hätten kaum noch Aussicht auf Asyl. »Auch in dem Gesetzentwurf zum Asylrecht, den das Bundesinnenministerium gerade vorgelegt hat, tauchen Senegal und Ghana wieder als sichere Herkunftsstaaten auf«, warnt Beck. Somit droht Deutschland ein weiteres Verfahren.

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