Aus Buchstaben Ornamente formen

Die Inselgalerie stellt Malereien, Grafiken und Typewritings von Ruth Wolf-Rehfeldt und Veronika Radulovic aus

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Lebenswege beider Frauen, die derzeit in der Inselgalerie ausstellen, liefen nicht gerade. Mehr allerdings noch eint sie ihr Interesse am künstlerisch umgesetzten Wort. »Wort Zeichen Bild« heißt deshalb die repräsentative Zweierschau.

Mit dem Jahrgang 1932 gehört Ruth Wolf-Rehfeldt schon zur gestandenen Künstlergeneration der DDR. Industriekaufmann lernte die in Wurzen Geborene, bevor sie an der Arbeiter-und-Bauern-Fakultät das Abitur erwarb und in der Humboldt-Universität Philosophie begann. Über eine Tätigkeit in der Ausstellungsabteilung der Akademie der Künste kam sie zur Malerei. Ein gutes Dutzend jener Ölbilder der 1960er, 1970er Jahre weist sie als profunde Könnerin aus, mit fast verschatteten, gedämpften Farben Porträts zu schaffen, so von Rilke und Modersohn-Becker, die scharfsinnig in die Tiefen der jeweiligen Persönlichkeit loten und das Gesicht, oft im Profil, sich wie im Farbfond auflösen lassen. Die »Sechs Frauen« in fließenden Langkleidern und sinnlichen Farbkontrasten künden im Wogen der Körper, in der Kopfhaltung von altmeisterlich souveränem Kompositionsempfinden.

Ab den 1970ern wandte sich ihr Interesse dem Kurzgedicht zu, philosophisch schürfenden, prägnanten Gedankensplittern, wohl auch zum eigenen Befinden. Was sie zunächst »nur« mit der Schreibmaschine aufs Papier tippte, gewann unter dem Einfluss ihres Mannes, des Mail-Art-Künstlers Robert Rehfeldt, neue künstlerische Gestalt, formte aus Buchstaben Ornamente und räumliche Gebilde. Mit jenen Typewritings, die sie bis 1990 beschäftigten, entstand ein umfangreiches Werk, dass Ruth Wolf-Rehfeldt bekannt machte. Mehr als ein halbes Hundert sind in der Inselgalerie zu bestaunen, teils als Zinkografien oder Siebdrucke nach Typewriting; sie zeugen vom wiederauflebenden Interesse an diesem speziellen Kunstgenre. Bisweilen fügen sich die Buchstaben wie in »Peace« zu einer diagonal strömenden, von Haken durchsetzten, in »concrete work« zum stehenden Doppel-X getürmten Komposition. Auf »Rohbau« bilden x-Typen auf gelbem Papier ein Gitternetz; »Figuration« lässt roboterartig blockhafte Figuren entstehen. Durch Sperrung der Buchstaben kommt es zu Hell-Dunkel, durch Staffelung zu einem »Wortturm« aus drei Etagen, durch Überlagern in »Unbestimmte Summe« zu taumelnden, bedrohlich sich ballenden Wolken.

Ein anderen Zugang zum Wort findet Veronika Radulovic, Jahrgang 1954 aus dem nordrhein-westfälischen Delbrück. Dem Studium der Visuellen Kommunikation in Bielefeld folgten eine Gastdozentur im ungarischen Szentendre und Artist in Residence in Singapur, ehe sie vorm deutschen Vereinigungslärm nach Vietnam entwich. Dort erfuhr sie ein fremdes Land aus den Berichten jener, die in der DDR studiert hatten, und lernte Lackmalerei von einer Taubstummen. Die Affinität zu Vietnam drückt sich bis in das Papier aus, auf dem sie in dicken Lettern und willkürlicher Trennung malt, was Zeitungen und Magazine über sie titelten respektive die Überschriften ihrer Ausstellungen auflistet. »Serielle Schriftbilder« etwa umfasst wandfüllende 127 Blatt gleichen Formats. »Das M/aß der/Dinge«, »Kunst im/Knast be/ reichert/den Alltag« liest man dort; »Bilder m/it unge/ wohnten/Klängen« könnte für Radulovics Gesamtwerk gelten, so auch die 27 »Sprachpflanzen«, bei denen je einem grauen Topf - Zusage, Wortlos, Neinsager, Nichtssagend, Wortgetreu heißen sie - Sukkulenten entwachsen, auf deren Trieben man in Gelb Fragmente, Fragen, Sinnsprüche entziffern kann. Das Wort als Herausforderung.

Bis 10.10., Inselgalerie, Torstr. 207, Mitte, Telefon: (030) 279 18 08, www.inselgalerie-berlin.de

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