Ohne Wohlwollen keine Werbung

VW setzt Regionalzeitungen in Frankreich unter Druck - unliebsame Berichterstattung soll verhindert werden

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Zeitungen sind auf Werbeeinnahmen angewiesen. Großkunde VW soll versucht haben, in Frankreich die Medien zu beeinflussen, damit sie weniger negativ berichten.

Die Medien unter Druck setzen, um unliebsame Berichterstattung zu verhindern? VW soll in Frankreich genau das getan haben: Die weltweit tätige Agentur 366, der die französischen Regionalzeitungen die Beschaffung von Werbeanzeigen übertragen haben, trat jedenfalls in der vergangenen Woche mit einem eher unüblichen Ansinnen an ihre Kunden heran. 20 der wichtigsten Abnehmer wurden per Rundmail informiert, dass VW eine große Werbekampagne plane, die jedoch wegen der negativen Berichterstattung in den Medien über den Abgasbetrug gefährdet sei.

Agentur-366-Direktor Stéphane de la Porte schrieb, man sei »mit der von VW beauftragten Werbeagentur übereingekommen, alles zu tun, um die Kampagne zu retten«. Dazu müssten die Chefredakteure nur für etwas Zurückhaltung ihrer Journalisten sorgen. »Wenn wir der Werbeagentur und dem Konzern zusichern können, dass an den Tagen, an denen die Anzeigen geschaltet werden sollen, also am 6., 8. und 10. Oktober, keine Artikel über die Krise bei VW erscheinen, können wir den Auftrag retten, der 315 000 Euro ausmacht«, heißt es im Schreiben. Das sei erst der Anfang, weil VW für die französische Regionalpresse bis Jahresende weitere Werbekampagnen für insgesamt knapp 1,5 Millionen Euro geplant habe, die auch hinfällig würden, wenn kein Wohlverhalten zugesichert werden könne.

Bundesregierung unterstützt Autokonzerne in Brüssel

Berlin. Lobbyismuskritiker haben der Bundesregierung vorgeworfen, auf europäischer Ebene eine Reform des Abgastestverfahrens für Dieselfahrzeuge zu blockieren.

Wie aus einem internen Positionspapier hervorgehe, habe sie sich im April dieses Jahres dafür eingesetzt, die Reform bis zum Jahr 2021 hinauszuzögern, berichteten die Nichtregierungsorganisationen LobbyControl und Corporate Europe Observatory am Montag. Dies entspreche genau den Positionen, die die deutsche Autolobby auch durch ihren europäischen Dachverband ACEA in Brüssel vertritt.

Die EU-Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland angestrengt, weil die Bundesregierung die Überschreitung von CO2-Grenzwerten seit Jahren toleriert und keine Gegenmaßnahmen ergreift. Auch eine europäische Verordnung aus dem Jahr 2007 zum Verbot der Manipulationssoftware, wie sie VW verwendet, setzte die Bundesregierung nicht in deutsches Recht um.

»Es darf nicht sein, dass europaweit bessere Gesundheits- und Umweltstandards blockiert werden, nur weil die Bundesregierung einseitig die Interessen der deutschen Autobauer verfolgt«, sagte Christina Deckwirth von LobbyControl.
Der Mitteilung zufolge stellt VW mit 43 Personen ein Drittel aller Lobbyisten von Autokonzernen in Brüssel. nd

Auf Nachfragen wollten die Herausgeber der meisten betroffenen Zeitungen nicht antworten. »Ouest-France« und »Sud-Ouest« konnten im Wunsch von VW keine Erpressung erkennen, während »Dernières Nouvelles d’Alsace«, »Paris-Normandie«, »La Montagne« und »Le Télégramme« das Ansinnen zurückwiesen. Als das Manöver publik wurde, machte die Agentur 366 einen Rückzieher und behauptete, es sei kein Druck ausgeübt, sondern nur erwogen worden, die Werbekampagne »auf ruhigere Zeiten zu verschieben«. De la Porte war für keine Stellungnahme zu erreichen.

Unterdessen beginnen in dieser Woche die von Umweltministerin Ségolène Royal angeordneten stichprobenartigen Kontrollen von Dieselfahrzeugen. Dabei soll festgestellt werden, welche in Frankreich verkauften Autos des VW-Konzerns vom Abgasbetrug betroffen sind. Der Filiale VW France zufolge sollen es rund 950 000 Fahrzeuge sein, davon fast 600 000 der Marke Volkswagen, 190 000 Audi, 92 000 Seat und 62 000 Skoda. Die Ministerin hat ferner angekündigt, dass Frankreich von VW die Millionen einfordern wird, die französische Behörden als Bonus gezahlt haben. Jeder Autokäufer, der sich für ein als besonders umweltfreundlich ausgewiesenes Fahrzeug entscheidet, bekommt vom Staat 1000 Euro. Es komme überhaupt nicht in Frage, die Autohalter zur Kasse zu bitten, denn sie seien ja selbst auch betrogen worden, befand die Ministerin. Schuldig sei allein der Konzern.

Umweltverbände des Landes und mehrere Dutzend französische Autokäufer haben bereits Anzeige gegen VW erstattet und wollen Schadenersatz einklagen. Die Pariser Staatsanwaltschaft hat zudem offiziell ein Ermittlungsverfahren gegen den Wolfsburger Autobauer eingeleitet.

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