Fußball

  • Jens Wernicke
  • Lesedauer: 4 Min.

Herr Berger, im August ist Ihr neues Buch «Der Kick des Geldes oder wie unser Fußball verkauft wird» erschienen. Wieso schreiben Sie als bekennender Fußball-Freund ein Buch gegen den Fußball? Ist er wirklich schon … so «korrupt» und «kommerzialisiert»?
Ja, ist er. Das sind allerdings zwei verschiedene Ebenen. Korruption finden wir heute vor allem auf der Funktionärsebene. Dass beispielsweise bei der Fifa Korruption alltäglich ist, dürfte mittlerweile ja jedem bekannt sein. Bei der anderen Ebene, jener der Kommerzialisierung, gibt es jedoch großes Interesse seitens der Fans und die Fußball-Interessierten. Schließlich sind sie es auch, die für die immer absurderen Summen, die aus dem Profifußball vermeldet werden, zur Kasse gebeten werden. Weniger bekannt ist, dass nicht nur die Fans, sondern auch die Allgemeinheit für diesen ganzen Kommerz-Zirkus zahlt.

Wie darf ich das verstehen?
Die größte Geldquelle des modernen Profifußballs sind ja die TV-Gelder. Und hier beteiligt sich das gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Fernsehen ganz massiv an den immer absurder werdenden Bieterschlachten, die die Preise in absurde Höhen treiben. Eine Minute Spotschau kostet den Gebührenzahler daher inzwischen rund 22.000 Euro, eine Minute Fußball-WM schlägt gar mit 58.000 Euro zu Buche. Wie viele hochwertige Dokumentarfilme oder Kulturbeiträge könnte man von diesem Geld wohl produzieren? Und auch das Spiel selbst ist oft nur noch Mittel zum Zweck - und dieser nennt sich: Gewinnmaximierung.

Das bedeutet, das was das Spiel eigentlich ausmacht, tritt mehr und mehr in den Hintergrund und wird sozusagen «von Ökonomie erdrückt?
Richtig. Fußball ist heute weit mehr als »nur« ein Spiel. Der Profifußball ist heute ein elementarer Teil der Unterhaltungsindustrie und funktioniert im Grund genauso wie andere auf Rendite orientierte Branchen auch. Von den elf Freunden, die Fußballer einmal sein sollten, ist heute nicht mehr viel übriggeblieben. Ein gemäß der Verwertungslogik gutes Team muss heute nicht mehr aus elf Freunden, sondern aus elf Renditefaktoren bestehen.

Und was sagen die Fans zu diesen Entwicklungen?
Das ist meines Erachtens die spannendste Frage. Denn es gibt für fast jedem größeren Klub in den europäischen Spitzenligen eigene Fan-Initiativen, die sich gegen diese Entwicklungen aussprechen und mobil machen. Einige Klubs nehmen diese Initiativen auch ernst. Der Großteil der Klubs interessiert sich jedoch nicht großartig für die Meinung der Fans und zieht das Projekt »Kommerzialisierung« einfach gnadenlos durch. Und wenn die Fans wegbleiben, ist das den Funktionären herzlich egal, denn die Sitze bleiben auch so nur selten leer. Die Atmosphäre leidet darunter jedoch maßgeblich. Fußball wird mehr und mehr als Event im Hochpreissegment angesiedelt.

Wo das endet, sehen wir bereits in England. Dort sind die Ticketpreise beispielsweise bereits so hoch, dass der »normale« Fan sich gar keinen Stadionbesuch mehr leisten kann. Wer aber Opernpreise verlangt, bekommt eben auch Opernpublikum und braucht sich dann nicht zu wundern, wenn anstatt der Fangesänge von den Rängen nur gesittetes Klatschen zu hören ist, wenn der Vorhang fällt. Damit zerstört der Profifußball jedoch seine eigene Basis.

Denn er wird sozusagen … gentrifiziert?
Ganz genau! Für die Klubs ist der sozial nicht so hochstehende klassische Fußballfan, der sich das Geld für die Jahreskarte vom Mund abspart und im Stadion mit einem ollen Strickschal aus den 90ern aufkreuzt, nun mal aus Renditeüberlegungen das falsche Publikum. Man will lieber zahlungskräftige und zahlungswillige Anhänger, die sich nicht nur jede Saison das neueste Trikot und die mittlerweile unüberschaubare Auswahl von Merchandisingprodukten kaufen, sondern auch für die Sponsoren und das restliche Werbeumfeld lohnenswerte Zielgruppe sind.

Was täte Ihrer Ansicht nach denn Not, wenn man diese Entwicklung wieder rückgängig machen will?
In einigen Ländern ist der Zug wohl schon abgefahren, sodass der Profifußball hier über kurz oder lang wohl an seinem eigenen Größenwahn zugrunde gehen wird. In Deutschland haben wir durch die Vereinsstruktur der meisten Bundesliga-Klubs zumindest strukturell die Chance, dass die Fans als Vereinsmitglieder von ihrem Recht Gebrauch machen und kommerzialisierungssüchtige Vorstände absägen. Diese innere Demokratie ist jedoch oft defizitär ausgeprägt.

So oder so: Wenn hier nicht bald etwas geschieht, ist es keinesfalls ausgeschlossen, dass auch Deutschland in einigen Jahren eine vollkommen auf den Kommerz ausgerichtete Bundesliga das Sagen hat, die nahezu vollständig von Großkonzernen und Milliardären beherrscht wird. Wir werden sehen…

Ich bedanke mich für das Gespräch.

Jens Berger unterstützt die Herausgeber bei der redaktionellen Arbeit und schreibt regelmäßig Artikel für die NachDenkSeiten. Er ist freier Journalist und politischer Blogger. Sein Blog Spiegelfechter zählt neben den NachDenkSeiten zu den bekanntesten deutschsprachigen Politblogs.

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