Mehr Lohn für mehr Stabilität

UNO-Institution warnt vor Schuldenkrise in Schwellenländern

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.
Als im August Chinas Börsen crashten, hielten die Finanzmärkte weltweit den Atem an. Denn die Instabilität ist auch fünf Jahre nach der Bankenkrise groß.

200 Billionen US-Dollar - diese gigantische Summe haben Privatpersonen, Unternehmen und Staaten mittlerweile als Schuldenberg angehäuft. Über ein Viertel davon - 57 Billionen US-Dollar - kamen allein in den fünf Jahren seit der Finanzkrise von 2007 und 2008 hinzu. Die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) spricht sich in ihrem am Dienstag veröffentlichten Bericht deshalb für die Schaffung eines fairen und effizienten Mechanismus zur Restrukturierung von Staatsschulden aus.

Dabei könnten besonders die Schwellenländer ins Zentrum einer neuen Schuldenkrise geraten. Nach dem Ausbruch der Finanzkrise galten sie zunächst als neue Hoffnungsträger für die Weltwirtschaft. Flossen im Jahr 2002 private Finanzmittel in Höhe von 2,8 Prozent ihres Bruttosozialprodukts in die Schwellenländer, so waren es 6,2 Prozent im Jahr 2010. Doch die Finanzspritze ist wohl mehr Fluch als Segen für die Länder im globalen Süden. »Die Kapitalströme dienen nicht der langfristigen Entwicklung in diesen Ländern«, sagt UNCTAD-Expertin Stephanie Blankenburg. Denn diese Ströme sind meist kurzfristig und hochgradig spekulativ.

Und bereits seit vergangenem Jahr läuft es in den aufstrebenden Volkswirtschaften nicht mehr wirklich rund. Vor allem die deutlich gesunkenen Rohstoffpreise machen ihnen zu schaffen. Allein schon die Ankündigung der US-Notenbank Fed, ihren Leitzins wieder anzuheben, hat die Währungen vieler dieser Staaten unter Druck geraten lassen. Und als die chinesischen Börsen im August zusammenbrachen, hielten die Finanzmärkte weltweit den Atem an.

»Die finanzielle Instabilität ist weiterhin allgegenwärtig«, so Blankenburg. Die eigentlichen Ursachen der Finanzkrise seien bisher noch nicht angegangen worden. Die vergangene Krisenpolitik - ein Mix aus falscher expansiver Geldpolitik sowie restriktiver Fiskal- und Lohnpolitik - habe die Instabilitäten sogar noch verstärkt. So floss das Geld, das die Zentralbanken locker machten, vor allem über die Banken in die Finanzmärkte. Vermögensblasen entstanden, anstatt dass die realwirtschaftliche Nachfrage angekurbelt wurde. Ein weiteres Problem stellen die weitgehend unregulierten Schattenbanken dar, die Schätzungen zufolge mittlerweile ein Viertel des internationalen Finanzwesens ausmachen.

»Die Krise ist noch nicht vorbei«, schlussfolgert dann auch Blankenburg. Zwar geht ihre internationale Organisation von einem Wachstum der Weltwirtschaft dieses Jahr von 2,5 Prozent aus - in den Industrieländern werden es vermutlich 1,9 Prozent sein. Doch fehlt ihr zufolge ein robuster Wachstumsmotor.

Denn die entscheidenden Maßnahmen seien in den Industrieländern nicht ergriffen worden: »Auf die Lohnerholung warten wir noch immer«, meint Blankenburg. Schließlich hat vor allem der Rückgang der Lohnquote seit den 1980er Jahren um durchschnittlich zehn Prozent und die wachsende Einkommensungleichheit der UNCTAD zufolge zu einem langfristigen Rückgang des Wirtschaftswachstums geführt, weil dadurch die Nachfrage der Verbraucher beschränkt wurde. Mehr öffentliche Investitionen und höhere Löhne in den reichen Industrieländern wären also eine erste Maßnahme, um das weltweite Finanzsystem stabiler zu machen.

Die Entwicklungsländer versuchen sich derweil vor Turbulenzen auf den Kapitalmärkten zu schützen, indem sie Währungsreserven anhäufen. Dies ist jedoch problematisch, weil diese Ressourcen dann für notwendige Investitionen fehlen. Ein erster Schritt zu mehr Sicherheit für diese Länder könnte nach Auffassung der UNCTAD zunächst sein, wenigstens die Schulden in Auslandswährungen zu verringern.

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