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Thailands Junta will bleiben

Für 2015 angekündigte Wahlen kaum vor 2017 / »Gesinnungskorrektur« für Kritiker

  • Alfred Michaelis, Vientiane
  • Lesedauer: 4 Min.
Das »Glück des Volkes« ist Prayut Chan-o-cha angeblich sehr wichtig. Deshalb soll die Junta bleiben und über Demokratie nicht diskutiert werden.

»So wie er!«, kommentiert eine Frau am Stadtrand von Bangkok knapp den neuen Plan des thailändischen Gesundheitsministeriums. Nach dieser Richtlinie soll die Bevölkerung des Landes in den nächsten zehn Jahren größer und intelligenter werden. Er, das ist Prayut Chan-o-cha, Thailands Militärputschist - oder wie er sich selbst sieht: Premierminister und Vorsitzender des Rats für Frieden und Ordnung im Königreich Thailand. Sonderlich viel Sympathie für den Führer des Landes scheint es aber in der Antwort der Frau nicht zu geben. Damit steht sie nicht allein, denn seit dem 22. Mai 2015 regiert in Thailand das Militär. Angeblich um den Riss zu kitten, der durch die Gesellschaft des Landes geht.

Mit dem 12. Militärputsch in der Geschichte der konstitutionellen Monarchie kam nach Jahren der Auseinandersetzung zwischen den »Rothemden« und den »Gelbhemden« Ruhe ins Land. Eine trügerische Ruhe. Denn die vom Putschführer versprochene Wiederherstellung der Einigkeit lässt auf sich warten. Dieser meinte, mit dem Ausscheiden aus dem Militärdienst seinem Regime einen zivileren Anstrich verschaffen zu können. Mit eisernem Griff und gestützt auf eine vom Militär selbst inspirierte provisorischen Verfassung, regiert der General a.D.

Speziell Artikel 44 der provisorischen Verfassung macht Vertretern der Demokratie zu schaffen. Sie verleiht der Militärregierung Befugnisse, die nach Meinung von Menschenrechtlern noch über die des Kriegsrechts hinausgehen. Danach hat die Militärjunta das Recht, jedwede Anordnung zur Durchführung von Reformen oder zur »Förderung von Liebe und Harmonie zwischen den Menschen in der Nation« zu erlassen. Sie ist ermächtigt, jeden Akt gegen Ordnung und Sicherheit, das Königshaus, die Wirtschaft oder die Verwaltung zu vereiteln oder zu unterdrücken. Jegliche Form von Information, die »Furcht schüren« oder »irreführend« sein könnte, kann unterbunden werden.

Anfangs hatten viele Thais der Junta wohlwollend gegenübergestanden. Die neuen Besen schienen doch endlich ausufernde Korruption und andere Missstände auszukehren. Doch schnell wurde klar, dass sich die Vorwürfe oft einseitig gegen Anhänger und Unterstützer der Rothemden richten. Die haben ihre Basis vor allem in der ländlichen Bevölkerung im Norden und im armen Nordosten von Thailand. Die Gelbhemden werden überwiegend von der alten Elite des Landes, den urbanen Mittelschichten und den treuesten Anhängern der Monarchie unterstützt. Die Farbe Gelb repräsentiert in Thailand den König.

Wer meint, dass soziale Konflikte mit drakonischem Vorgehen zu lösen seien, dürfte falsch gelegen haben. Schon 2006 hatten die Militärs eine mit den Stimmen der Rothemden gewählte Regierung weggeputscht. Bei der Rückkehr zu demokratischen Wahlen siegten die Rothemden jedoch erneut.

Auf welcher Seite die neue Militärjunta anzusiedeln ist, darüber gibt es wenig Zweifel. So empfahl Prayut den Bürgern seines Landes allen Ernstes: »Wenn Meeresfrüchte zu teuer sind, dann esst doch einfach etwas anderes. Wenn es zu teuer ist für euch, dann esst es nicht. Lasst es die Reichen essen.« Als die Preise für Zitronen stiegen, empfahl er seinen Landsleuten, mit dem Klagen aufzuhören und einfach selbst welche anzubauen.

Auch die versprochene Rückkehr zu Wahlen lässt auf sich warten. Ursprünglich für Ende 2015 angekündigt, wird der Termin ein ums andere Mal verschoben. Inzwischen ist 2017 anvisiert. Wird auch der Urnengang vordergründig mit der Ausarbeitung einen Übergangsverfassung und deren landesweiter Verbreitung verknüpft, geht es den Militärs offenbar doch um etwas anderes: Das Land brauche »größere Stabilität«.

Wie das gemeint ist, bekam der prominente Journalist der englischsprachigen »The Nation« Pravit Rojanaphruk zu spüren. Wegen kritischer Äußerungen über die Militärjunta wurde er zu einer »Gesinnungskorrektur« einbestellt. Kurz nach seiner Freilassung erklärte Pravit sein Ausscheiden aus »The Nation« mit der Begründung, das Blatt auf diese Weise keinem weiteren Druck auszusetzen. Die Junta behält sich vor, unliebsame Personen bis zu sieben Tage in Gesinnungshaft zu nehmen. Sie tat dies wiederholt mit Vertretern und Sympathisanten der Rothemden.

Zuletzt wurde auch der Energieminister der letzten gewählten Regierung Thailands einer Gehirnwäsche unterzogen. Parallel dazu wird auch die Anwendung der Gesetze gegen Majestätsbeleidigung verschärft. Erst im August war ein Thailänder zu 30 Jahren Haft verurteilt worden, weil ein Militärgericht ihn der Majestätsbeleidigung in sechs Fällen für schuldig befunden hatte. Was der Mann in seinen Facebook-Einträgen geschrieben hatte, bleibt ein Geheimnis. Jede, der dies wiederholte, würde sich der gleichen Straftat schuldig machen. Den Angaben einer lokalen Vereinigung zufolge wurden seit dem Putsch schon mehr als 50 derartige Fälle zur Anklage gebracht, weitere 26 wegen Aufwiegelung.

Wie viele Menschen die Militärdiktatur beendet sehen wollen, kann aufgrund der sehr dehnbaren Gesetze lediglich geahnt werden. Trotz ernster Schwierigkeiten für Meinungsforscher, wagten sie eine vorsichtige Umfrage, wie es um die Beliebtheit der Militärs bestellt sei. Nach Berichten der Bangkok Post wurden mehr als 1000 Menschen befragt, ob eine Regierungsumbildung das Erscheinungsbild der Regierung verbessern könnte. Dem stimmten 79,6 Prozent der Befragten zu.

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