Zensoren und Bananenschalen

Das Stummfilmfestival in Pordenone zeigt zensierte Komödien und Laurel und Hardy in voller Länge

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 3 Min.

Zu den Höhepunkten des diesjährigen Stummfilmfests im nordostitalienischen Pordenone gehörte ein Film von ganzen 18 Minuten Länge. Ein Film von 1927, für dessen Produktion die satte Menge von 3000 Torten gebacken, verladen und - treffsicher geworfen wurde. Ein Film, der nur zu Teilen erhalten war und nun, frisch zusammengefügt, wieder in seiner beinahe vollen Länge zu sehen ist. Diese »Battle of the Century« (Die Schlacht des Jahrhunderts) hat es in sich: Bei der Berliner Laurel-und-Hardy-Werkschau im Sommer noch in der Kurzfassung zu sehen, ließ sie in Pordenone ein bis in den letzten Rang gefülltes Stadttheater vor Lachen beben.

Stan Laurel spielt da einen glücklosen Boxer, Oliver Hardy dessen entnervten Manager. Der lässt sich eine Unfallversicherung auf seinen Schützling andrehen - und sieht dann plötzlich deren finanzielles Potential. Weil ein Boxer, der nicht gewinnt, nichts verdient, sind die beiden ziemlich pleite. Wo es aber eine Unfallversicherung gibt, wäre mit einem Unfall ganz nett Geld zu machen … Eine Bananenschale soll’s richten - nur rutscht auf der natürlich nicht der Boxer aus, sondern ein unschuldiges Zufallsopfer - ein Zufallsopfer mit einer Ladung Torten in der Hinterhand. Weil Hardy die hüllenlose Banane, die ihn als Täter überführt, nicht schnell genug an Laurel weitergeben kann, fliegt eine erste Torte in seine Richtung, trifft aber ebenfalls den Falschen. Und so geht’s weiter, bis geschätzte - aber es ist eine filmhistorisch wohlfundierte Schätzung! - 3000 Torten später niemand auf der Leinwand mehr tortenfrei durch’s Leben kommt und dem Publikum die Lachtränen in den Augen stehen.

Dabei war das eigentliche Komödiensegment des Stummfilmfestes ein ganz anderes, geografisch wie ideologisch. Weil im letzten Jahr eine Filmreihe unter dem Titel »Russisches Lachen« ein ausgesprochener Erfolg war - sie war dem Regisseur Jakow Protasanow gewidmet -, gab es in diesem Jahr eine zweite Folge mit acht Filmen von sieben verschiedenen Regisseuren aus den späten Stummfilmjahren von 1927 bis 1934.

Wirklich komisch waren sie nicht alle - dafür waren den Drehbüchern zu oft Zensur und offizielle politische Korrektheit in die Quere gekommen. Dem expressionistisch angelegten »Gosudarstvennyi chinovnik« (Staatsbeamter) von Iwan Pyrjew (1931) zum Beispiel: In der tragikomischen Geschichte über die Gier eines kleinen Angestellten wird jener bei einem Geldtransport überfallen und kann sich sich des Diebes (offiziell, angeblich) nicht erwehren. Doch von dem Tag an zählt er abends mit der Ehefrau Geld, viel, viel Geld, und schmiedet große Pläne. Das war allzu kritisch gegenüber der Bürokratie und den tatsächlichen Errungenschaften des Sozialismus. Eine offizielle Rahmenhandlung musste her, mit Sabotageakten weißrussischer Subversiver in Staatsunternehmen und ganz viel Intrige - ein seltener Fall von Zensur bei einem Werk des vielfach ausgezeichneten Pyrjew.

Auch Theaterregisseur Alexei Popow hatte anfängliche Zensurprobleme mit seinem Debütfilm »Dva druga, model i podruga« (Zwei Freunde, das Modell und die Freundin) von 1928. Inspiriert von Buster Keatons Komödien des kleinen Mannes im Kampf mit widrigen Umständen (Keatons »Verflixte Gastfreundschaft« war gerade in den sowjetischen Kinos angelaufen), schickt er zwei Dorfburschen mit dem hausgezimmerten Prototyp einer Maschine zur schnelleren Herstellung von Kisten auf eine abenteuerliche Fuß- und Flussreise in die nächste und dann die übernächste Kleinstadt, Sitz der Kreis- und der Provinzbehörde. Sie sind von Sabotage bedroht, weil ein bärtiger Dritter Prestige und Profit zu verlieren droht, wenn die örtliche Seifenmanufaktur ihre Kistenmaschine in Serie nehmen sollte. Es ist ein sonniger Film voller visueller Gags und freundlicher Stimmung, die Jungs sind hausbacken, aber dank festem Willen, Mutterwitz und etwas weiblicher Hilfe ihrem Verfolger immer einen halben Schritt voraus.

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