Kölner Attentäter war aktiver Neonazi

Antifa: Mutmaßlicher Angreifer auf die Bürgermeisterkandidatin Reker gehörte der militanten Nazipartei FAP an

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 3 Min.
Der mutmaßliche Attentäter von Köln war in den 1990er Jahren im gewalttätig-neonazistischen Milieu des Rheinlandes aktiv. Die Erzählung vom Geistesgetörten, der Einzeltäter sein muss, sie hielt nicht lange vor.

Die Erzählung vom Geistesgestörten, der, wie immer bei den vielen hundert rechtsextremen Gewalttaten allein dieses Jahres, ein Einzeltäter zu sein hat, sie währte nicht lange. Immerhin übernahm die Abteilung für politische Straftaten der Staatsanwaltschaft Köln federführend die Ermittlungen nach dem Angriff auf die parteilose Bürgermeisterkandidatin Henriette Reker am Samstag. Ein fremdenfeindliches Motiv scheine nach den Aussagen des mutmaßlichen Täters und der Zeugen nicht ausgeschlossen, verkündete deren Leiter Ulf Willuhn am gleichen Tag. Allerdings sei noch unklar, ob Fremdenfeindlichkeit oder »der Gesundheitszustand des Täters« ausschlaggebend waren für die Tat. Die psychische Untersuchung sei Standard, da psychische Probleme bei früheren Attentaten auf Politiker oft eine Rolle spielten, so der Oberstaatsanwalt.

In der Tat litten sowohl die Lafontaine-Attentäterin Adelheid Streidl als auch Schäuble-Attentäter Dieter Kaufmann unter einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie und galten als schuldunfähig. Aus der Maßregelvollzugsklink wurde Kaufmann erst 14 Jahre, Streidl sogar erst knapp ein Vierteljahrhundert nach ihren 1990 begangenen Taten entlassen. Gefängnis oder geschlossene Psychiatrie: Der attestierte Geisteszustand des Täters von Köln wird entscheiden. Er gilt nach erster Begutachtung als voll schuldfähig.

Nun schließen sich, wie man weiß, Wahn und Faschismus durchaus nicht aus. Doch von der politischen Vergangenheit (und möglichen Gegenwart) des 44-Jährigen erfuhr die Öffentlichkeit zunächst nichts. Jedenfalls nicht von den Ermittlungsbehörden. Bisher lägen keine Erkenntnisse vor, »dass weitere Personen an dieser schlimmen Tat beteiligt waren«, verkündete Norbert Wagner, Leiter der Direktion Kriminalität der Polizei Köln, am Samstag. Das sei zumindest das Ergebnis der ersten Ermittlungen. »Zu der Person haben wir bisher im polizeilichen Bereich keinerlei Erkenntnisse«, ergänzte der leitende Kriminaldirektor.

Doch Frank S. (Name ist der Redaktion bekannt) soll laut Recherchen von Antifa-Gruppen in jungen Jahren in der 1995 verbotenen militant-rechtsextremen »Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei« (FAP) aktiv gewesen sein. Laut einer Meldung der »Antifaschistischen NRW Zeitung« aus dem Jahre 1997 ist der Mann vorbestraft wegen Raubes und Körperverletzung.

Gegenüber »nd« bestätigte ein Polizeisprecher indirekt den Namen des Verhafteten. Die FAP-Vergangenheit sei der Polizei durch Behauptungen des mutmaßlichen Täters bekannt, müsste allerdings noch behördlicherseits bestätigt werden. Allerdings läge sie »relativ weit zurück«, so der Polizeisprecher.

Die Antifa Bonn/Rhein-Sieg scheint besser informiert zu sein. Der damals in Bonn lebende Mann habe bundesweit an Naziaufmärschen teilgenommen, sei fester Bestandteil einer im »Gau Rhein-Sieg« starken und äußerst gewalttätigen FAP-Kameradschaft gewesen. Die Akteure seien stets zu Einzeltätern verklärt und »juristisch kaum verfolgt« worden, heißt es in einer Stellungnahme der Antifa Bonn/Rhein-Sieg. Einige sind danach auch heute noch Schlüsselfiguren der Neonaziszene, darunter der regional bedeutsame FAPler Ralf Tegethoff, der danach beim zwischenzeitlich verbotenen »Aktionsbüro Mittelrhein« aktiv war und noch heute Naziaufmärsche organisiere, oder der einstige Gauleiter Norbert Weidner, wichtiger Akteur im rechtsextremen Burschenschaftermilieu.

Frank S. »war ein organisierter Nazi in einer rechtsterroristischen Organisation, die in den 90ern offen dazu aufrief, Flüchtlingsheime anzuzünden«, so die Antifa-Gruppe Bonn/Rhein-Sieg. Er sei »durch diese Generation Terror geprägt worden«, sein rassistisches Weltbild gleich geblieben. Das belege der Kölner Anschlag auf gewalttätige Weise.

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