Verkaufen sie jetzt!

Immobilienfirma will Anwohnern der neuen Registrierungsstelle in der Bundesallee Wohnungen abkaufen / Absender entschuldigt sich

  • Sarah Liebigt
  • Lesedauer: 3 Min.
In einem Brief bietet ein Unternehmen Wohungseigentümern den Kauf ihrer Wohnungen an: Nachbarn der Bundesallee 171 in Berlin, jenem Gebäude, indem die neue Registrierungsstelle für Geflüchtete untergebracht ist, werden vor einem Wertverlust ihres Besitzes gewarnt.

An »die Nachbarn der zukünftigen zentralen Anlaufstelle für Asylsuchende in der Bundesallee 171« ist der Brief des Immobilienunternehmens »Stadt & Raum« gerichtet. Das Immobilienbüro wendet sich an Besitzer von Eigentumswohnungen und rät: »Verkaufen Sie JETZT und zwar sofort.« Weil in der vergangene Woche eröffneten Registrierungsstelle »tausende Flüchtlinge« untergebracht werden sollen, warnt »Stadt & Raum« vor sinkenden Immobilienpreisen und bietet an, Wohnungen zum vollen Preis zu kaufen. »Als neutrale Beobachter des Marktes (...) wissen wir einfach, dass sich die Wohnungspreise in der Nachbarschaft solcher Großeinrichtungen im Nu halbieren«, heißt es in dem Brief weiter, der bei Anwohnern in Wilmersdorf aufgetaucht war. Unterzeichnet wurde das auf den 12. Oktober datierte Papier von Uwe Fenner, »Assessor jur.«, laut Firmenwebsite auch Unternehmenspartner.

Auf »nd«-Nachfrage sagte Uwe Fenner, der Brief, den er in einer Auflage von 150 Exemplaren in der Gegend um die neue Zentralstelle für Asylsuchende in der Bundesallee habe verteilen lassen, habe einige Missverständnisse ausgelöst. Er erklärte schriftlich: »Ich bitte höflich und herzlich um Entschuldigung, wenn ich in diesem Schreiben die Gefühle für Anstand und Unterstützung und Erbarmen für die Flüchtlinge verletzt habe.« Er bedauere sehr, diesen Brief überhaupt geschrieben zu haben.

Fenner selbst ist nicht nur Immobilienmakler, sondern stellvertretender Vorsitzender des Berliner Landesverbands der »Allianz für Fortschritt und Aufbruch« (ALFA): Jener Partei, die von Bernd Lucke, dem Ex-Chef der extrem rechten Alternative für Deutschland (AfD) gegründet wurde. Mit der ALFA-Gründung wollte Lucke sich auch von einem »Rechtsruck« der AfD distanzieren. Viel geändert hat sich indes nicht. Lucke inszeniert sich nach wie vor (unter anderem) als Fürsprecher der »sozial Schwachen«, die seiner Meinung nach unter den in »Markt drängenden« Flüchtlingen am meisten leiden werden, auch wenn »Sprachkenntnisse und Berufsqualifikation anfangs dürftig« sind. Ins gleiche Horn stößt in Berlin wohl auch Fenner. Er versichert in dem Brief, man wolle keinen einzigen Flüchtling diskriminieren, »aber die Nachricht von Gewalttaten in Flüchtlingslagern, von Einbrüchen Diebstählen und einfach der Nachbarschaft mit vielen, vielen insbesondere jungen Männern, die nichts zu tun haben, weil unsere Behörden so langsam sind, diese Nachrichten gehen jeden Tag durch die Presse«.

Mit der Sorge vor negativen Auswirkungen der »Flüchtlingskrise« steht der Immobilienmakler nicht allein da. Auch andere Unternehmer machen sich Sorgen. Zum Beispiel die, dass Asylsuchende auf offener Straße Schafe scheren und damit das »soziale Gefüge« durcheinander bringen. Oliver Blum, Agenturdirektor des Berliner Ablegers des Immobilienmaklers »John Taylor«, äußerte diese Befürchtung vor einer Weile bei der Präsentation der ersten deutschen Niederlassung. »Man hat natürlich immer Angst vor dem, was man nicht kennt.«

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