Flüchtlingsheime aufs Tempelhofer Feld?

Vorschlag aus dem Senat für Bebauung eines Teils des Berliner Ex-Flughafens. Dort gilt nach Volksentscheid Bauverbot

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Berlin. Der Berliner Senat erwägt, auf dem Tempelhofer Feld Flüchtlingsheime zu errichten. Dies sehe ein Vorschlag von Senatskanzleichef Björn Böhning (SPD) vor, berichtet die »Berliner Morgenpost«. Als Baugelände sei ein Teil des einstigen Flughafens auf der Seite des Tempelhofer Damms vorgesehen. Nach einem Volksentscheid vom Mai 2014 darf auf dem Gelände nicht gebaut werden. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller und Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (beide SPD) seien für die Bebauung, auch der CDU-Landesvorsitzende und Innensenator Frank Henkel habe keine grundsätzlichen Einwände, hieß es in dem Bericht. Im ehemaligen Flughafengebäude sind bereits Flüchtlinge in Notunterkünften einquartiert.

Tilmann Heuser, BUND-Landesgeschäftsführer, der im Senatsauftrag die Bürgerbeteiligung für die Gestaltung des Tempelhofer Feldes koordiniert, hat den Senat davor gewarnt, über die Flüchtlingshilfe das Volksgesetz zu Tempelhof aushebeln zu wollen. »Das würde auf massiven Widerstand der Bürger stoßen«, sagte er dem »nd«. Der Senat müsse genau erklären, was er auf dem Gelände will. Wenn es um die Errichtung von temporäre Einrichtungen wie Traglufthallen geht, könne er sich jedoch vorstellen, dass dies auf Akzeptanz stößt. »Die Initiativen, die sich für die Freihaltung des Feldes engagiert haben und jetzt für seine Gestaltung, sind auch in der Flüchtlingshilfe aktiv«, so Heuser. Allerdings gebe die jetzt bekannt gewordene Formulierung zur Gesetzesänderung Anlass zu Spekulationen. Sie ermögliche auch eine längerfristige Bebauung. »Der Senat muss erst mal konkret sagen, was er auf dem Feld will und das mit dem Bürgern diskutieren«, forderte Heuser.

Der Vorsitzende der LINKEN in Berlin, Klaus Lederer, appellierte an den Senat, endlich die vorhandenen Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge in Berlin zu nutzen, statt ständig mit »neuen Ideen hausieren zu gehen«. Nach wie vor stünden ungenutzte, gut ausgestattete Gebäude in öffentlicher Hand wie das Bundesinstitut für Risikobewertung leer. Über andere, die wie das Haus der Statistik am Alexanderplatz schon längst hergerichtet sein könnten, hülle sich der Senat lieber in Schweigen: »Es drängt sich der Verdacht auf, dass es dem Senat hierbei weniger um die menschenwürdige Unterbringung geflüchteter Menschen als vielmehr darum geht, seine Niederlage beim Volksentscheid über das Tempelhofer Feld nachträglich in einen kleinen Sieg umzuwandeln«, so Lederer. Das sei genauso inakzeptabel wie andere Versuche, die Not der Flüchtlinge für andere politische Ziele auszunutzen.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus, Antje Kapek, forderte die rot-schwarze Landesregierung auf, ihre neuen Pläne für das Tempelhofer Feld umgehend offenzulegen. Eine winterfeste Unterbringung von Flüchtlingen beispielsweise in Traglufthallen außerhalb des Feldes entlang des Tempelhofer Damms sei durchaus denkbar. »Warum der Senat allerdings das Tempelhof-Gesetz ändern will, ist nicht nachvollziehbar«, so Kapek: Der Senat dürfe die dringend notwendige Flüchtlingsunterbringung nicht gegen das Ergebnis des Tempelhofer Volksentscheids ausspielen. Agenturen/nd

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