Luthers frühe Schriften sind jetzt der Renner

Fünf der nun zum UNESCO-Weltkulturerbe zählenden Werke des Reformators sind im Besitz Thüringer Institutionen

  • Doris Weilandt, Jena
  • Lesedauer: 3 Min.
Zwei Jahre vor dem Jubiläum zu 500 Jahren Reformation hat die UNESCO Schriften der Reformationsbewegung ins Weltdokumentenerbe aufgenommen. Eine wichtige Rolle spielt dabei Thüringen.

Seit Oktober gehören 14 Handschriften und Drucke aus mehreren deutschen Bibliotheken und Archiven als Meilensteine der Reformation zum UNECSO-Welterbe. »Es ist besonders schön, dass wir innerhalb dieses Konzertes die erste Geige spielen«, kommentiert Fachbereichsleiter Joachim Ott von der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek (ThULB) in Jena die Entscheidung der Kommission. Allein fünf der zum Weltkulturerbe geadelten Werke Martin Luthers sind im Besitz Thüringer Institutionen.

Nach mehrjähriger Beratung durch das Leibniz-Institut für Europäische Geschichte in Mainz entschied sich die UNESCO für frühe Schriften, die die Entstehung der Reformation beleuchten. Dazu zählen Teile des Redemanuskripts Luthers auf dem Reichstag in Worms (1521, Hauptstaatsarchiv Weimar), Gedanken über Ablass und Gnade (1518, Anna-Amalia-Bibliothek Weimar), eine Schrift aus der Forschungsbibliothek Gotha und die »Deutsche Messe«, ein von Luther verfasstes Standardwerk zur Abfolge des Gottesdienstes, das zum Bestand der ThULB Jena gehört.

Das Buch, das 1526 von Michael Lotter in Wittenberg gedruckt wurde, ist das einzige vollständig erhaltene Original. Hinter einem Deckblatt mit einem Holzschnitt von Lukas Cranach finden sich darin Texte zu Fragen kirchlicher Verordnungen und Kirchenlieder. Luther reagierte damit auf die bereits 1524 von Thomas Müntzer verfasste »Deutsche Evangelische Messe«, die das Abhalten der Gottesdienste in der dem Volk verständlichen deutschen Sprache und nicht in Latein vorsah. Als große Neuerung führte Luther das gemeinsame Singen von Kirchenliedern und eine wechselseitig gesprochene Liturgie ein. Damit sollte die Gemeinde am Geschehen unmittelbar beteiligt werden.

Das nun zum »Memory of the World« erhobene Exemplar kam über Altenburg nach Jena. Es stammt aus dem Nachlass des Juristen Christian Gottlieb Buder, der in seiner akademischen Bibliothek einige historische Kostbarkeiten versammelte.

Die »Deutsche Messe« ist nicht der einzige originale Druck der Schriften des Reformators. »Wir haben von Luther die meisten der zentralen Schriften im Original. Und wir haben durch den Rörer-Nachlass einige Autographe«, erzählt Ott. Doch die waren für die UNESCO-Kommission nicht entscheidend, weil sie nicht zum Frühwerk gehören. Als Rörer-Nachlass wird eine Sammlung von Handschriften und Drucken bezeichnet, die einer der engsten Mitarbeiter Luthers, Georg Rörer, der Jenaer Universität hinterließ. Der Bestand zählt zu den wichtigsten Quellensammlungen der Reformation. Erst vor wenigen Jahren sorgte eine Textstelle in einem Handexemplar des Neuen Testaments für weiteren Diskussionsstoff zu der Frage, ob Luther 1517 die Thesen an den Wittenberger Kirchen selbst angeschlagen habe oder nicht.

Ein Wissensspeicher, aus dem Luther sich bedient hat, ist die Bibliotheca Electoralis. Um 1500 in Wittenberg angelegt, kam sie mit den ernestineschen Fürsten nach Thüringen und nach der Gründung ihrer neuen Universität nach Jena. Unter den 1500 Bänden finden sich vor allem Schriften humanistischer Gelehrter. Für die Wittenberger Reformatoren bildete Bibliothek die Grundlage ihrer Weltanschauung.

Der UNESCO-Titel sichert der ThULB internationale Aufmerksamkeit für ihren historischen Gesamtbestand, nicht nur im Hinblick auf das Reformationsjubiläum 2017. Als Digitalisat sind verschiedene Schriften, darunter auch die »Deutsche Messe«, frei zugänglich. Die Originale, so Ott, will die ThULB aus konservatorischen Gründen schonen. Doch zu großen Ausstellungen im Luther-Kontext wird das Buch aber zu sehen sein.

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