Klage aus Madrid gegen Katalonien

Regierungschef Mas im ersten Anlauf gescheitert / Rajoy setzt auf den Rechtsweg

  • Heinz Krieger, Valencia
  • Lesedauer: 3 Min.
Die spanische Zentralregierung will die katalanischen Abspaltungspläne nicht hinnehmen und klagt vor dem Verfassungsgericht. Kataloniens Premier Mas verfehlte die Mehrheit zu seiner Wiederwahl.

Die spanische Regierung setzt in der Auseinandersetzung mit den katalanischen Unabhängigkeitsbefürwortern zunächst auf das Verfassungsgericht. Regierungsanwältin Marta Silva de Lapuerta brachte am Mittwoch kurz nach zwölf Uhr den Eilantrag auf sofortige Aufhebung und damit Nichtigkeitserklärung des Unabhängigkeitsbeschlusses im Verfassungsgericht ein, den das Parlament in Barcelona am Montag gefasst hatte. Das Höchstgericht setzte eine erste Dringlichkeitssitzung noch für denselben Nachmittag an.

In Barcelona macht die Politik dagegen unverdrossen weiter. Der amtierende Ministerpräsident Artur Mas erlitt am Dienstagabend im Parlament eine Abfuhr. Er trat zur Wiederwahl an, erhielt aber nur die 62 Stimmen seiner eigenen Parteigruppierung. Die Linksgruppe CUP, die ihn beim Unabhängigkeitsvotum noch mit ihren zehn Abgeordneten unterstützt und ihm damit zum Abstimmungssieg verholfen hatte, lehnt Mas als Regierungschef ab. Am Donnerstag will der in einem zweiten Anlauf versuchen, als Regierungspräsident gewählt zu werden.

Regierungschef Mariano Rajoy gab nach der Anrufung der Verfassungsrichter im Regierungspalast eine Erklärung ab, in der er versprach: »Ich werde es nicht zulassen, dass die Demokratie zerstört wird.« Er sieht den Beschluss der katalanischen Parlamentarier, die Loslösung von Spanien einzuleiten, als einen Angriff auf den demokratischen Gesamtstaat: »Die Resolution des katalanischen Parlaments bedeutet eine offene Verletzung des Kerns der spanischen Verfassung.« In dem Beschluss von Barcelona wird jede Unterordnung unter spanische Gesetze und Urteile des Verfassungsgerichts abgelehnt. Rajoy: »Wenn man das Gesetz nicht anerkennt, dann schafft man die Demokratie ab.« Das werde er nicht zulassen. Den Verfassungsartikel 155 über eine mögliche Direktregierung Kataloniens aus Madrid erwähnte er nicht.

Rückendeckung erhielt Rajoy am Mittwochmorgen von Oppositionsführer Pedro Sánchez. Der Chef der Sozialistischen Arbeiterpartei Spaniens hatte eine einstündige Unterredung mit dem Premier. Tags zuvor hatte sich Rajoy auch mit König Felipe VI. ausgetauscht.

Bei Widerstand gegen die Anordnungen des Verfassungsgerichts droht den Verantwortlichen in Barcelona die Amtsenthebung - von der Parlamentspräsidentin bis zum Ministerpräsidenten und zu den Ministern. Generalstaatsanwalt Javier Zaragoza hat die Polizei, die Guardia Civil und die katalanische Landespolizei Mossos d’Esquadra aufgefordert, alle ihnen bekannt werdenden Verstöße gegen die erwarteten Auflagen des Verfassungsgerichts sofort an den Nationalen Strafgerichtshof zu melden. Zwar hat das Gericht laut Verfassung fünf Monate Zeit für seine Entscheidung, jedoch wird nach Annahme des Antrags zur Verhandlung mit der sofortigen einstweiligen Aufhebung des Unabhängigkeitsbeschlusses gerechnet. Danach gilt jedes Weitermachen als Ungehorsam, Missachtung oder gar Rebellion. Dafür kann es lange Gefängnisstrafen bis zu 15 Jahre geben. Die endgültige Entscheidung des Gerichts wird kaum vor den Parlamentswahlen am 20. De-zember fallen.

Die Regierung will deutlich machen, dass Barcelona zu Spanien gehört wie jede andere Stadt auch. Deshalb wird Premier Rajoy am Samstag dort auf einer Parteiveranstaltung sprechen und einen Appell zur Einheit an die Katalanen richten.

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