Krummes Geschäft auf Rezept

Neue Paragrafen im Strafgesetzbuch sollen Betrug in Apotheken und Arztpraxen eindämmen

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 3 Min.
An diesem Freitag will der Bundestag Verbesserungen für Pflegebedürftige verabschieden und über schärfere Regeln gegen Korruption im Gesundheitswesen debattieren. Beide Vorhaben sind umstritten.

Wenn der Oberarzt operiert, auf der Abrechnung mit der Krankenkasse aber der Chefarzt angegeben wird, ist das Betrug. Wird auf einer ärztlichen Anweisung in der Physiotherapie noch eine Fangopackung hinzugefügt, aber gar nicht verabreicht, ist das ebenfalls nicht rechtens. Schreibt der Apotheker auf ein teures Krebsrezept die doppelte Anzahl, gibt aber nur eine Packung ab, kann man die kriminelle Energie auch hier nicht abstreiten. Dagegen wirkt die nette Kollegin aus der Pharmafirma, die in der Arztpraxis schnell mal vor einem ins Sprechzimmer huscht, um den Arzt über neue Präparate zu informieren, geradezu harmlos. Was der Arzt oft nicht weiß: Das neue Mittel kann teurer sein und dabei keinerlei Zusatznutzen gegenüber dem alten haben. Auch in diesen Fällen summieren sich die Schäden für die Krankenkassen.

Das Bundesjustizministerium geht von 9,6 Milliarden Euro aus und beruft sich dabei auf Transparency International. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz rechnet vor, dass den gesetzlichen Krankenkassen 18 Milliarden Euro verloren gehen. Um die größten Summen geht es bei Apothekern, während Krankgymnasten und Physiotherapeuten die meisten Fälle zu verzeichnen haben. Doch wo fängt in dem so außerordentlich verzahnten Gesundheitsbereich, dem die Politik immer mehr Wettbewerb und Konkurrenzkampf verordnet, Korruption an? Das herauszufinden, ist spätestens seit dem Sommer 2012 schwierig geworden. Damals landete der Fall einer Pharmareferentin der Firma Ratiopharm vor Gericht. Sie hatte Ärzten eine als Vortragshonorar getarnte Prämie überreicht, wenn sie eine Arznei des Hauses verordneten. Doch der Bundesgerichtshof urteilte, dass es keine Strafnorm gebe, die Bestechung und Bestechlichkeit bei freiberuflichen Medizinern verbiete. Eine Gesetzesinitiative des damaligen FDP-Bundesgesundheitsministers Daniel Bahr scheiterte, weil sich die SPD damals dagegen wehrte, die Strafbarkeit von Korruption lediglich im Sozialgesetzbuch zu verankern und den Bereich der Privaten Krankenversicherung auszunehmen.

Der Entwurf des Antikorruptionsgesetzes, das aktuell zur Debatte steht, sieht die Aufnahme der neuen Paragrafen 299 und 300 in das Strafgesetz vor, die Bestechung und Bestechlichkeit mit bis zu drei Jahren Haft oder Geldstrafe, in besonders schweren Fällen sogar mit mindestens drei Monaten und bis zu fünf Jahren Haft bestrafen. Strafbar ist die Annahme von Vorteilen, wenn sie die Gegenleistung für eine Bevorzugung darstellt. Darunter fallen so genannte Kick-Back-Zahlungen von Pharmaunternehmen an Ärzte für die Verordnung von Medikamenten oder »Kopfgelder« für die Zuweisung von Patienten an eine bestimmte Klinik.

Strafbar könnten sich künftig Angehörige von Heilberufen machen, die einen bestimmten Vorteil annehmen. Betroffen sind etwa 30 Berufe, die eine staatlich geregelte Ausbildung erfordern, neben Ärzten, Zahnärzten und Apothekern auch Tierärzte, Psychotherapeuten oder Logopäden und Physiotherapeuten. Auf der »Geberseite« einer Bestechung kommt jedermann als Täter in Frage.

Während die gesetzlichen Krankenkassen die Gesetzesinitiative begrüßen, lehnen Hersteller und Ärzteverbände sie ab. Erstere berufen sich auf Transparenzinitiativen der Branche. Für letztere spricht Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery und sagt, dass es nur einige schwarze Schafe unter ihnen gebe. Für die Grünen ist das Gesetz mehr als überfällig, sie mahnen darüber hinaus Rechtssicherheit für Arbeitnehmer an, die Hinweise auf Fehlverhalten geben. Die LINKE im Bundestag hat zusätzlich beantragt, auch Vorteilsnahme und Vorteilsgewährung zu bestrafen, weil damit die Therapiesicherheit für Patienten in Gefahr gerät. Außerdem will sie erreichen, dass nicht nur Organisationen, sondern auch Arzthelferinnen und Patienten Strafanzeigen stellen dürfen.

Ab 2016 wollen die forschenden Pharmafirmen offenlegen, welche Zuwendungen sie Ärzten zukommen lassen, kündigten sie diese Woche in Berlin an. Dann soll im Internet zu lesen sein, welches der an der Initiative beteiligten Unternehmen welchem Arzt was gegeben hat.

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