Ein Endlager in Thüringen?

Professor bringt völlig neue Standorte für die Lagerung atomaren Mülls ins Gespräch

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Geologe hält die Lagerung von Atommüll in Granitschichten unter dem Salz für möglich - solche Formationen gebe es unter anderem im Thüringer Becken.

Seit anderthalb Jahren bastelt eine vom Bundestag eingesetzte Expertenkommission an Kriterien für die Suche nach einem Endlager für Atommüll. Bislang wird in Deutschland eine Lagerstätte im Salz favorisiert. Als einziger konkreter Standort ist bislang nur Gorleben im Kreis Lüchow-Dannenberg im Spiel. Jetzt bringt der Essener Geologieprofessor Ulrich Schreiber tiefe Gesteinsformationen in Thüringen ins Gespräch.

Der Mitteldeutsche Rundfunk zitierte am Dienstag aus einem Konzept Schreibers: »Günstige Rahmenbedingungen« gebe es demnach unter anderem im Thüringer Becken. Konkret empfehle der Geologe nach erster Analyse, Gebiete »zwischen Nordhausen und Duderstadt«, »nördlich und westlich von Mühlhausen« sowie den »Raum Arnstadt und Stadtilm« unter die Lupe zu nehmen.

Schreiber schlägt vor, ein Endlager nicht innerhalb eines Salzstocks zu bauen, sondern unterhalb. So könnten die verschiedenen Anforderungen an eine Lagerstätte »auf mehrere Stockwerke aufgeteilt« werden. Die Vorteile des Salzes ließen sich ohne dessen Nachteile nutzen. Der heiße, strahlende Müll könnte in Stollen in tieferen Granitfelsschichten untergebracht werden, das Salz würde das Endlager nach oben abdichten.

Ein Einlagerung in Granitgestein bietet demzufolge die Möglichkeit, die Abfälle wieder an die Oberfläche zurückzuholen, falls es eines Tages bessere Möglichkeiten zur dauerhaften Verwahrung gebe. Bei der Lagerung in Salzstöcken ist eine Rückholung praktisch ausgeschlossen.

Das Thüringer Becken weist laut Schreiber geeignete Gesteinsformationen ab etwa 1000 Metern Tiefe auf. Zudem gebe es in den Gebieten keine bekannten »tektonischen Störungen«, auch vulkanische Aktivität aus jüngerer Vergangenheit sei nicht bekannt. Schreibers Studie verweist zudem auf »eine geringe Besiedlungsdichte« bei gleichzeitig »gute(n) Anbindungen ans Bahn- und Straßennetz«. Allerdings sieht Schreiber die genannten Regionen nur als Beispiel. Auch weitere Gegenden in Thüringen sowie das Fränkische Becken und die Schwäbische Alb lohnten es, auf Endlagertauglichkeit abgeklopft zu werden. Es gehe um die »sicherste und beste Lagermöglichkeit«.

Schreiber war in der Endlagerdebatte bislang noch nicht hervorgetreten. Er studierte teilweise in Clausthal-Zellerfeld, an der dortigen technischen Universität ist der einzige deutsche Lehrstuhl für Endlagerforschung angesiedelt. Schreibers Arbeitsschwerpunkte sind die regionale Geologie Mitteleuropas, Vulkanismus und Tektonik sowie die Geoökologie.

Kritik an den neuen Vorschlägen kam prompt: Roberto Kobelt, energie- und umweltpolitischer Sprecher der Grünen im Thüringer Landtag, wandte sich gegen eine Lagerung von Atommüll im Freistaat. Die Standortsuche müsse sich weiter auf die Bundesländer konzentrieren, in denen bisher Atommüll gelagert wird beziehungsweise in denen sich Atomkraftwerke befinden. »Nur so können risikoreiche Atommülltransporte minimiert und die Bundesländer in die Verantwortung genommen werden, die auch von den Einnahmen aus der Atomenergie profitieren«, so Kobelt.

Unterdessen warnen Atomkraftgegner davor, dass sich die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Energiekonzerne auf die Endlagersuche auswirken könnten. »Wir befürchten, dass aus finanziellen Gründen am Ende an Gorleben festgehalten wird«, sagte Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. Er verweist auf jüngste Bilanzen: E.on hatte für die ersten neun Monate des Jahres einen Rekordverlust von sechs Milliarden Euro eingeräumt. RWE machte im selben Zeitraum deutlich weniger Gewinn als erwartet. Die versprochene vergleichende Endlagersuche dürfe nicht auf der Strecke bleiben, »weil die Konzerne klamm bei Kasse sind«, so Ehmke.

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