Mit Mark und Fixit gegen die Krise

In Finnland gibt es nach jahrelanger Rezession Debatten über einen Euro-Austritt

  • Bengt Arvidsson
  • Lesedauer: 3 Min.
Finnland kommt nicht aus seiner tiefen Wirtschaftskrise heraus. Inzwischen werden gar Vergleiche zur Situation in Griechenland laut. Auch ein Austritt aus der Währungsunion ist Thema: Der sogenannte Fixit.

Dem »Grexit« und »Brexit« gesellt sich nun ein weiteres Austrittsgespenst hinzu: der »Fixit«. Denn der einstige EU-Musterschüler Finnland bekommt seine Wirtschaftskrise nicht in den Griff. Seit 2007 geht es bergab. Im vergangenen Jahr sank das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,1 Prozent, nachdem es schon in den Vorjahren um 1,3 Prozent und 1,4 Prozent geschrumpft war. Die Arbeitslosigkeit lag im September mit 8,4 Prozent etwas höher als im Jahr zuvor.

Da hilft nur der Euroaustritt, sagt Paavo Väyrynen. Der frühere Außenminister, Mitglied der regierenden bürgerlichen Zentrumspartei, hat 50 000 Unterschriften dafür gesammelt. Nun muss das Parlament das Thema diskutieren. Mit der Abwertung einer eigenen Währung könne Finnland seine Konkurrenzfähigkeit steigern, glaubt Väyrynen.

Doch die Rückkehr zur Mark ist wenig wahrscheinlich. »Im Parlament gibt es keine Mehrheiten für einen solchen Schritt«, sagt Sixten Korkman, Wirtschaftsprofessor an der Aalto-Universität in Helsinki. Selbst die an der Regierung beteiligten EU-skeptischen Wahren Finnen wollten das derzeit nicht. Dennoch ist der Vorstoß des Ex-Außenministers ein Zeichen für den schlechten wirtschaftlichen Zustands des 5,5 Millionen Einwohner zählenden Landes. Einige bezeichnen Finnland gar als das nordeuropäische Griechenland.

Dabei war Finnland lange Musterschüler der EU. Nachdem das Land in den 90er Jahren aufgrund der überbewerteten Währung, dem Zerfall der Sowjetunion sowie einer geplatzten Aktien- und Immobilienblase ein Viertel seiner Wirtschaftsleistung eingebüßt hatte, setzten die Finnen auch dank des EU-Beitritts zum Höhenflug an. An der Spitze dieses Aufstieges stand Nokia. Das einst Gummistiefel herstellende Unternehmen wurde zum weltgrößten Hersteller von Mobiltelefonen. Doch dann schrumpfte Nokia wieder, weil es den rechtzeitigen Anschluss an die Smartphone-Generation verpasste.

Auch die zweite wichtige Branche litt. Die Holz- und Papierwirtschaft galt lange als Rückgrat Finnlands, doch das ist vorbei. Die Digitalisierung und der Konkurrenzdruck aus Asien haben die Papierindustrie auf ein Drittel zusammenschrumpfen lassen. Auch die dritte wichtige Säule Finnlands, die Metall- und Maschinenbauindustrie kränkelt. Die EU-Krise und die Sanktionen gegen Russland, den nach Deutschland und Schweden drittwichtigsten Handelspartner, machen der Exportindustrie schwer zu schaffen.

Die finanziellen Folgen: Lag die Schuldenquote noch 2008 bei nur 34 Prozent des BIP, wird sie in den kommenden Jahren vermutlich über die Maastrichtgrenze von 60 Prozent steigen.

»Wir waren noch bis 2009 zu optimistisch, weil alles so gut lief. Die Löhne stiegen zu stark an, die Kommunen gaben immer mehr Geld aus, Steuern wurden erhöht, das ineffiziente Gesundheits- und Sozialwesen wurde nicht reformiert«, sagt Korkman. »Im Gegensatz etwa zu Deutschland reagiert Finnland so empfindlich, weil seine Wirtschaft auf nur wenige Bereiche beschränkt ist. Fallen die, fällt alles«, sagt er.

Finnland hofft vor allem auf eine Erholung der Weltwirtschaft. Auch die Auswirkungen der Russlandkrise scheinen ihren Höhepunkt erreicht zu haben, so Korkman. Die Verpackungsindustrie erholt sich wieder. »Ich denke, dass wir trotz allem aus dem Schlimmsten heraus sind. Die kommenden Jahre werden vermutlich besser. Unsere Wirtschaftskrise hat ihren Höhepunkt passiert«, so Korkman.

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