Das verbindlich-unverbindliche Klimaziel

Fragen & Antworten zur UN-Konferenz und dem angestrebten Paris-Abkommen

  • Lesedauer: 4 Min.

Worum geht es in Paris?

Die 194 Mitgliedstaaten der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) ha-ben sich schon 2010 bei ihrem Gipfeltreffen in Cancún das Ziel gesetzt, die Erderwärmung auf maximal zwei Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Steigen die langfristigen Durchschnittstemperaturen über diese Marke, erwarten Wissenschaftler »sehr gefährliche«, unumkehrbare Klimawandelfolgen. Um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, müssten die weltweiten Treibhausgasemissionen bis 2050 um mindestens 50 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 1990 sinken, in den Industrieländern um 80 bis 95 Prozent. Vertreter indigener Völker und der Inselstaaten, aber auch zahlreiche Umweltverbände fordern ein 1,5-Grad-Ziel mit erheblich ambitionierteren Reduktionsvorgaben.

Wer trifft sich bei dem UN-Gipfel?

Zur 21. Konferenz der UNFCCC-Staaten (COP21) werden rund 40 000 Teilnehmer erwartet. Während einzelne Industriestaaten große Delegationen mit Politikern, Verwaltungsexperten und Wissenschaftlern nach Paris schicken, wird die Gruppe extrem armer Länder von nur einer Delegation vertreten. Auch Nichtregierungsorganisationen sind dabei. An diesem Montag versammeln sich mehr als 140 Staats- und Regierungschefs zum offiziellen Auftakt auf dem Messegelände am Flughafen Le Bourget.

Worum drehen sich die Verhandlungen?

In Paris soll erstmals ein weltweit gültiges Klimaschutzabkommen beschlossen werden. Beim Kyoto-Protokoll von 1997 hatten sich lediglich Industrieländer zur Reduzierung ihres CO2-Ausstoßes verpflichtet. Am Text des neuen Vertrags wurde in den vergangenen Monaten auf diversen Vorkonferenzen bereits intensiv gefeilt. Er konnte dabei um viele Seiten gekürzt werden, noch aber gibt es im Entwurf rund 1500 Klammern mit strittigen Formulierungen oder Änderungswünschen.

Wie sehen die Klimaschutzziele aus?

Rund 180 der beteiligten Staaten haben für das Abkommen ihre freiwilligen Beiträge (INDCs) gemeldet. Rechnet man die einzelnen nationalen Ziele für die Reduktion der Treibhausgasemissionen zusammen, wird das Zwei-Grad-Ziel aber nicht erfüllt - die Erde wird sich demnach um 2,7 Grad erwärmen. Kritiker halten vor allem die nationalen Ziele der Industriestaaten für völlig unzureichend.

Wie verbindlich soll das Paris-Abkommen werden?

Das Abkommen an sich soll völkerrechtlich verbindlich sein, dies wird aber nicht für die nationalen Klimaschutzziele gelten. Ansonsten könnte in den USA die Ratifizierung vom konservativ dominierten Senat blockiert werden. Auch der zweite Hauptverschmutzer China lehnt Verbindlichkeit hier ab. Immerhin sollen die einzelnen Klimaschutz-Engagements alle fünf Jahre einem Überprüfungsmechanismus unterzogen und dann möglichst erweitert werden.

Wie sollen die CO2-Ziele erreicht werden?

Einige Verhandlungsdelegationen wollen im Abkommen das Ziel der »Dekarbonisierung« festschreiben, also des Ausstiegs aus Kohle, Öl und Gas im Laufe dieses Jahrhunderts. Andere wie die EU präferieren den windelweichen Begriff der »nachhaltigen Klimaneutralität«, der auch umstrittene Technologien wie die unterirdische CO2-Speicherung (CCS) oder die Atomkraftnutzung zulässt. Umweltverbände hingegen fordern den vollständigen Umstieg auf erneuerbare Energien bis spätestens 2050.

Wie sollen arme Entwicklungsländer überhaupt in der Lage sein, das viele Geld etwa für den Ausbau der Erneuerbaren aufzubringen?

Im Grundsatz wurde bereits beim UN-Gipfel in Kopenhagen 2009 als Ziel festgeschrieben, ab 2020 für Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen im Süden 100 Milliarden Dollar jährlich bereitzustellen. Die G77-Staaten fordern in Paris nun eine verbindliche Festschreibung dieses Ziels im neuen Abkommen - das könnte der Knackpunkt der Verhandlungen werden. Davor schrecken einige Indus-trieländer zurück, weil sie vor allem privatwirtschaftliche Investitionen mobilisieren wollen, während Entwicklungsländer rein staatliche Hilfszusagen fordern. Zudem wird bereits über eine Aufstockung der Mittel ab 2030 gestritten. Ungeklärt ist auch die Frage des kostenlosen Transfers von technologischem Know-how und von Kompensationszahlungen für bereits existierende Klimaschäden etwa durch Stürme, Überschwemmungen und Dürren. Vor allem für besonders arme Entwicklungsländer sind dies entscheidende Fragen.

Wird es bei den Verhandlungen also einen klassischen Nord-Süd-Konflikt geben?

Durchaus. Bei einigen Themen wird eine heftige Kontroverse zwischen den G7-Industriestaaten und der Entwicklungsländergruppe der G77 erwartet. Aber es ist deutlich komplizierter: Die in ihrer Existenz bedrohten pazifischen Inselstaaten sowie besonders arme afrikanische Staaten fordern gerade auch von den großen Schwellenländern wie China und Indien erheblich stärkere Klimaschutzanstrengungen. Kurt Stenger

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